Sintflut
kaum mit den Hufen den Erdboden. Kmicic setzte ihm nach, die Tataren blieben weit zurück. Um seinem Pferde das Rennen zu erleichtern, warf Pan Andreas die Pistolen aus den Satteltaschen. Er blickte unverwandt auf Boguslaw und schlug mit seinen Sporen erbarmungslos auf das Pferd ein, das ohnehin schon nicht mehr bei Kräften war. Trotz aller Bemühungen wurde die Entfernung zwischen Kmicic und dem Fürsten immer größer.
»Ich hole ihn nicht ein,« dachte Pan Andreas voller Wut, und indem er sich im Sattel hochrichtete, rief er so laut wie möglich:
»Fliehe nur, Verräter, vor Kmicic! Wenn nicht heute, so kriege ich dich morgen! Du sollst mir nicht entgehen!«
Kaum verhallten diese Worte, als der Fürst sich umdrehte. Da er sah, daß Pan Andreas allein war, wandte er sein Pferd um und stürzte sich mit gezogenem Säbel auf ihn.
Sie stießen beide zusammen. Schon nach den ersten Schlägen hörte Boguslaw auf, den Gegner gering zu schätzen. Alle Hiebe, die er von den französischen Fechtmeistern gelernt hatte, wurden pariert. Der Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht und vermischte sich mit der weißen und roten Schminke. Sein rechter Arm wurde ihm steif. Er begann sich zu ärgern und beschloß, die letzte Anstrengung zu machen, um den Gegner niederzuhauen. Kmicic aber parierte mit solcher Wucht, daß dem Fürsten der Säbel aus der Hand flog. Dann versetzte Pan Andreas ihm einen Hieb über die Stirn.
»Christus!« rief der Fürst und stürzte vom Pferde.
Pan Andreas stieg auch ab und näherte sich mit dem Säbel in der Hand dem Fürsten. Er war kreidebleich, und auf seinem Gesichte lag der Ausdruck eines unerbittlichen Hasses.
Sein Todfeind lag jetzt zu seinen Füßen, noch lebend und bei vollem Bewußtsein.
Boguslaw sah Kmicic mit weitgeöffneten Augen an und rief ihm zu:
»Töte mich nicht! Ich gebe Lösegeld!«
Statt jeder Antwort setzte Kmicic seinen Fuß auf des Fürsten Brust und die Spitze seines Säbels auf die Gurgel. Die geringste Bewegung, und der Fürst war verloren. – Aber Pan Andreas wollte sich an seiner Rache sättigen. Er blickte Boguslaw fest in die Augen, wie der Löwe den zu Tode verwundeten Büffel ansieht.
Unablässig rann das Blut aus der Stirnwunde Boguslaws und bildete auf der Erde eine kleine Lache. Pan Andreas' Fuß stellte sich immer schwerer auf seine Brust.
»Höre,« begann Boguslaw mit gebrochener Stimme, »Alexandra –«
»Sprich!« sagte er.
Fürst Boguslaw atmete freier auf und wiederholte lauter:
»Alexandra, – sie ist verloren, wenn du mich tötest! Der Befehl ist gegeben.«
»Was hast du mit ihr getan?« fragte Kmicic.
»Gib mich frei, – und ich händige sie dir aus, – ich schwöre, ich schwöre beim Evangelium!«
Pan Andreas schlug sich an die Stirn; augenscheinlich kämpfte er mit sich.
»Höre, Verräter,« sagte er schließlich, »ich gäbe mit Freuden hundert solcher Ausgeburten wie du für ein einziges ihrer Haare hin. Aber ich glaube dir nicht, du Eidbrüchiger!«
»Ich schwöre beim Evangelium! Ich gebe dir einen Schutzbrief und einen unterzeichneten Befehl!«
»Mag es so sein! Ich schenke dir das Leben; aber aus den Händen gebe ich dich nicht. Du gibst mir den versprochenen Brief, und ich übergebe dich bis auf weiteres den Tataren, – du bleibst in ihrer Gefangenschaft.«
»Einverstanden!« erwiderte der Fürst.
»Merke dir es, weder dein Fürstentum noch deine Truppen haben dich vor meiner Rache geschützt, – und wisse, wenn du es je wagen solltest, meinen Weg zu kreuzen oder dein Wort zu brechen, so gibt es nichts auf der Welt, was dich retten könnte. Einmal warst du schon in meinen Händen; jetzt habe ich dich unter meiner Ferse, – vergiß das nie!«
»Mir ist schlecht,« sagte der Fürst. »Pan Kmicic, hier in der Nähe muß Wasser sein, geben Sie mir zu trinken und verbinden Sie meine Wunde.«
»So stirb! Verräter!« sagte Kmicic.
Aber der Fürst, der jetzt seines Lebens sicher war, gewann seine ganze Selbstbeherrschung wieder.
»Sie sind dumm! Wenn ich jetzt stürbe, – was geschähe mit ihr?« – –
Nach diesen Worten erblaßte er und verlor das Bewußtsein. Kmicic stürzte davon, um Wasser zu holen.
Boguslaw kam bald wieder zu sich, gerade in dem Augenblicke, als ein Tatar sich ihm näherte. Der Tatar wollte schon seine Lanze erheben, um den verwundeten Feind an den Erdboden festzunageln, als Kmicic ihm von der Ferne zurief:
»Halt! Laß ihn leben!«
Der Tatar stand unbeweglich. Kmicic sandte ihn nach
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