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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Diensten; das plötzliche Erscheinen Boguslaws, seines einstigen Befehlshabers, muß ihn wahrscheinlich gänzlich verwirrt haben. Der Gedanke, Hand an einen Radziwill zu legen, kam ihm gewiß nicht in den Kopf. – So muß es gewesen sein. – Ja, und er mußte mit seinem Leben dafür zahlen. – Ein merkwürdiger Mensch, dieser Pan Zagloba! Er war doch nicht einmal entfernt mit Roch verwandt, aber er beweint ihn, wie man nur seinen eigenen Sohn beweinen kann.«
    Durch das schmale Fenster der ärmlichen Hütte, in der sich Wolodyjowski und Kmicic unterhielten, schlich sich der erste bleiche Schein des anbrechenden Tages.
    »Und morgen greifen wir an!« sagte Pan Michail.

11. Kapitel.
    Es war am sechsten September, als Pan Gosiewski Kmicic, da dieser die Gegend gut kannte, auf Erkundigung ausschickte. »Und kehren Sie ja nicht ohne Gefangene, die wir gut ausfragen können, zurück«, schloß er seinen Auftrag.
    Kmicic lächelte. Auch ohne diese Bitte hätte er Gefangene mitgebracht, und wenn er sie von den Verschanzungen von Prostki herholen müßte.
    Zwei Tage später kehrte Pan Andreas zurück. Er führte mehrere Dutzend Preußen und Schweden bei sich, darunter den Hauptmann eines unter Boguslaws Kommando stehenden preußischen Regimentes.
    Aus dem Verhöre ergab sich, daß bei Prostki nicht nur die Truppen des Grafen Waldeck standen, sondern zugleich sechs schwedische Regimenter unter dem Oberbefehle des General-Majors von Israel, von denen vier Reiterregimenter waren, die Peterson, Frytjotson, Tauben und Ammerstein kommandierten, und zwei Infanterieregimenter, die die Brüder Engel befehligten. Außerdem war Fürst Boguslaw da mit vier Bannern.
    Graf Waldeck führte über diese ganze Armee den Befehl, jedoch nur nominell; denn in Wirklichkeit folgte er in allem dem Rate Boguslaws, ebenso wie es auch der schwedische General Israel tat.
    Die wichtigste Aussage des gefangenen Offiziers war die, daß zweitausend auserlesene Infanteristen zur Verstärkung erwartet wurden, und daß Graf Waldeck, da er fürchtete, daß sie auf Kmicic' Tataren stoßen könnten, beschlossen hatte, das befestigte Lager zu verlassen, sich mit der Verstärkung zu vereinen und sich dann neu zu verschanzen. Boguslaw war zwar zuerst gegen diese Maßnahme, aber er begann, sich allmählich Waldecks Ansicht anzuschließen.
    Hierüber freute sich Pan Gosiewski sehr. Er wußte nur zu gut, daß der Feind sich im befestigten Lager lange halten würde, daß aber weder die schwedische noch die preußische Reiterei den Litauern im offenen Felde widerstehen konnte.
    Dasselbe war auch dem Fürsten Boguslaw bekannt, aber seine Eigenliebe litt unter der Beschuldigung einer übertriebenen Vorsicht zu sehr, und man konnte annehmen, daß es ihm schnell lästig werde, im Lager zu sitzen, und daß er sich bald vorwagen werde. Auf alle Fälle mußte Gosiewski sich beeilen, um die Schweden gleich beim Verlassen der Schanzen anzugreifen.
    Derselben Meinung waren auch alle die anderen Obersten: Korsak, der Kavallerie-Oberst, Woinillowicz, Wolodyjowski, Kmicic und Hassan-Bey, der Befehlshaber einer Tatarenhorde. Es wurde beschlossen, noch in derselben Nacht aufzubrechen. Pan Korsak schickte den Fahnenträger Bieganski nach Prostki voraus, damit er das schwedische Lager scharf beobachte.
    Kaum hatten Gosiewskis Truppen zwei Meilen zurückgelegt, als ein Bote mit einem Briefe von Pan Bieganski ankam. Der Fahnenträger meldete, daß nach Aussagen mehrerer Gefangenen die Schweden Prostki schon am nächsten Morgen um acht Uhr verlassen werden, wozu die nötigen Befehle schon gegeben seien.
    »Danken wir Gott, und geben wir unseren Pferden die Sporen«, sagte der Hetman. – »Bis zum Abend werden wir sie geschlagen haben!«
    Er sandte sofort die Tataren mit der Weisung voraus, der ankommenden preußischen Infanterie den Weg zu den Truppen des Grafen Waldeck zu verlegen. Den Tataren folgten bald die litauischen Banner.
    Kmicic befand sich in den ersten Reihen der Tataren und feuerte nach Kräften seine Abteilung an. Unterwegs beugte er sich tief herab auf den Hals seines Pferdes, und seine Lippen flüsterten ein Gebet:
    »Herrgott! Nicht für mich will ich Rache nehmen, sondern für das gekränkte Vaterland. Gib den Ketzer in meine Hände! Und ich verspreche dir, zu fasten und mich wöchentlich einmal bis an mein Lebensende zu peitschen!«
    Und eine neue Kraft erfüllte seine Seele, eine Kraft, vor der alles in den Staub fallen mußte. An seinen Schultern schienen ihm

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