Sintflut
Flügel zu wachsen, und er flog an der Spitze seiner Tataren wie ein Wind und hinter ihm, bis zum Sattel niedergebückt, sausten Tausende wilder Söhne der Steppen.
Die Mondsichel begann schon bleich zu werden und nach Westen zu sinken, als die Tataren Halt machten, um sich und den Pferden etwas Erholung zu gönnen. Man war nur noch eine halbe Meile von Prostki entfernt. Kmicic bestieg ein Reservepferd und ritt weiter, um auf das feindliche Lager einen Blick zu werfen.
Eine halbe Stunde später traf Pan Andreas die Abteilung des Fahnenträgers, die Pan Korsak vorausgeschickt hatte.
»Nun, was?« fragte Kmicic den Fahnenträger. »Gibt es Neues?«
»Die Schweden schlafen nicht und summen im Lager wie die Bienen im Bienenstock.«
»Kann man nicht von irgendwo aus das Lager besser übersehen?«
»Da, von jenem Hügel aus. Ihr Lager liegt dicht am Flusse.«
Der Fahnenträger und Kmicic ritten auf die Spitze einer kleinen Anhöhe. Es begann zu tagen, im Tale war es jedoch noch dunkel. Allmählich lichtete sich die Dunkelheit, und Kmicic sah mit Hilfe eines Fernrohres nicht nur die Zelte des Feindes, sondern er konnte auch die hellblauen schwedischen Fahnen von den gelben preußischen unterscheiden.
Ringsum herrschte tiefe Stille, die nur von dem Rauschen der Sträucher und von fröhlichem Vogelgezwitscher unterbrochen wurde. Vom Lager her drangen unklare Geräusche herüber.
Augenscheinlich waren dort alle wach und bereiteten sich zum Aufbruche vor. Ganze Regimenter waren in Bewegung, die Artillerie holte die Geschütze von den Wällen herunter.
Kmicic befahl den Soldaten, auf ihrem Platze zu bleiben, während er selbst in rasendem Trabe zurücksprengte.
Pan Gosiewski bestieg gerade sein Pferd, als er den herankommenden Babinicz sah. Sobald er seinen Bericht entgegengenommen hatte, ließ er die Regimenter vorrücken.
Voran ritt Kmicic mit einem kleinen Teile der Tataren, dann folgten die Banner Woinillowicz', die Laudaer und das eigene des Pan Hetman. Hassan-Bey blieb mit den übrigen Tataren hinten, da er befürchtete, daß seine Leute der feindlichen schweren Reiterei nicht standhalten könnten. Außerdem hoffte er im stillen, sich des feindlichen Lagers bemächtigen zu können und dort reiche Beute einzuheimsen. Der Hetman verstand das auch, aber er willigte trotzdem darin ein. Die Tataren, die bei einem Angriffe auf offenem Felde nur wenig ausrichten konnten, verwandelten sich, sobald sie das feindliche Lager betraten, völlig in wilde Tiere, so daß sie fürchterliche Verwirrung in den Reihen des Feindes hervorriefen.
Zwei Stunden später machten die polnischen Truppen an dem Hügel, wo die voraus gesandte Abteilung wartete, Halt. Der Fahnenträger berichtete, daß der Feind bereits das Lager verlassen habe, und jetzt nur noch die letzten Wagen herausfuhren.
»Dann können sie nicht mehr zurück; der Train wird sie daran hindern«, sagte Pan Gosiewski. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Wir brauchen uns nicht mehr zu verstecken!« Und er gab mit seinem Stabe das Zeichen zum Vorrücken. Der Fahnenträger der Roßschweiffahne begann mit der Flagge nach allen Seiten zu wehen, sämtliche Fahnen fingen nun an zu flattern. Es erschollen Trompetenstöße, in der Luft erglänzten sechstausend Säbel und sechstausend Stimmen riefen auf einmal:
»Jesus, Maria! – Allah! – Il Allah!«
Die Schweden hatten diese Gäste nicht so bald erwartet. Die Regimenter begannen sich schnell mit der Front nach dem Flusse hin zu formieren.
Bald waren die feindlichen Heere nur tausend Schritte voneinander entfernt. Eine große Wiese, in deren Mitte ein Fluß war, trennte sie. Eine Minute darauf fiel auf der schwedischen Seite der erste Kanonenschuß. Die Schlacht begann.
Der Hetman sprengte zu Kmicic heran.
»Pan Babinicz, greifen Sie das Reiterregiment dort an!« –
»Folgt mir!« befahl Pan Andreas. Er gab seinem Pferde die Sporen und sauste zum Flusse. Die Tataren überschritten an einer flachen, sandigen Stelle den Fluß und rasten weiter.
Das schwedische Reiterregiment ritt ihnen zuerst langsam entgegen, dann begann es zu traben und blieb schließlich ganz stehen. Als die Tataren bis auf zwanzig Schritt herangekommen waren, erscholl das Kommando: »Gebt Feuer!« Und Hunderte von mit Pistolen bewaffneten Händen streckten sich nach der Richtung der Tataren aus.
Dieser Salve folgte der Zusammenstoß der beiden Feinde. Die Mitte der von den Reitern gebildeten geraden Linie gab dem Anpralle
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