Sintflut
ein verwundeter Tiger hoch.
»Erlauben Sie, Fürst!« rief er, »das ist mein Gefangener! Ich habe ihm das Leben unter einer Bedingung geschenkt. Und er hat auf das Evangelium geschworen, diese Bedingung einzuhalten. Eher lasse ich mich umbringen, als daß ich dulde, daß er den Tataren entrissen wird, bevor er seinen Verpflichtungen nachgekommen ist!«
Fürst Michail unterdrückte seine Erregung und sagte:
»Sprechen Sie, was verlangen Sie?«
»Daß er seine Versprechungen hält, ehe er aus der Gefangenschaft entlassen wird.« »Er wird alles tun.«
»Nein, nein! Ich glaube ihm nicht!«
»Dann schwöre ich für ihn und stehe Ihnen mit meinem Ritterwort dafür ein, daß alles, was er Ihnen versprochen, auch ausgeführt wird. – Widrigenfalls können Sie mich zur Verantwortung ziehen.«
»Das genügt,« entgegnete Kmicic.
»Ich danke Ihnen, Pan Kavalier!« schloß der Fürst. »Sie können ruhig sein; auch ich gebe ihm nicht die Freiheit. Ich liefere ihn dem Hetman aus, daß er sich später vor dem Gericht des Königs verantworten soll!«
Schon am Abend befand sich Boguslaw im Zelte des Pan Gosiewski. Seine Wunde erwies sich als nicht sehr gefährlich, man konnte auf seine baldige Wiederherstellung rechnen.
Pan Wolodyjowski konnte es Kmicic durchaus nicht verzeihen, daß er den Fürsten lebend aus seinen Händen gelassen hatte.
»Fürchten Sie denn nicht Gott?« fragte der kleine Ritter Pan Andreas, als dieser spät in der Nacht sein Zelt aufsuchte. »Von jedem anderen hätte ich das erwartet, aber nicht von Ihnen. – Wie konnten Sie einen Verbrecher lebend aus Ihren Händen lassen?«
»Erst hören Sie mich an, und dann urteilen Sie,« sagte Kmicic finster. »Schon hatte ich meinen Fuß auf ihn gesetzt, schon berührte meines Säbels Spitze seine Gurgel, da sagte er mir – wissen Sie, was er mir da sagte? – Er sagte, er hätte den Befehl gegeben, Alexandra in Tauroggen Zu töten, sobald er selbst umkäme. – Was blieb mir Unglücklichem nun zu tun übrig? – Ich kaufte ihr Leben mit dem Preis des seinigen. – Was sollte ich tun? – Um Gottes willen, was konnte ich tun?«
Pan Andreas griff verzweifelt mit beiden Händen in seine Haare. Wolodyjowski versank in Gedanken.
»Ich verstehe Ihre Verzweiflung,« sagte er nach einiger Zeit, »aber trotzdem haben Sie einen großen Verbrecher aus Ihren Händen gelassen, der späterhin der Republik noch viel Böses zufügen kann. – Heute haben Sie sich über alle Maßen ausgezeichnet, doch zu guter Letzt haben Sie das Wohl des Vaterlandes Ihren eigenen Interessen geopfert.«
»Und Sie, was hätten Sie selbst getan, wenn Sie gewußt hätten, daß über dem Kopfe der Panna Anna Borzobohata das Schwert schwebt?«
»Ich stelle mich nicht als Muster auf. – Hm, – was ich getan hätte, – das weiß ich nicht. Aber das eine weiß ich, Skrzetuski hätte dem Feinde nicht das Leben gelassen. Außerdem bin ich davon überzeugt, daß Gott das Vergießen dieses unschuldigen Blutes nicht zugelassen hätte.«
»O, so möge die ganze Schuld auf mich allein fallen! Richte mich, Gott, nicht nach meinen schweren Sünden, sondern nach deiner Barmherzigkeit! Konnte ich denn das Todesurteil meiner Taube unterschreiben?«
Kmicic bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.
»Engel im Himmel, beschützt mich! Das konnte ich nicht! Niemals! niemals!«
»Nun, beruhigen Sie sich,« tröstete ihn Wolodyjowski.
Pan Andreas holte aus seiner Brust ein Blatt Papier heraus.
»Sehen Sie, das habe ich ihm abgerungen! Es ist ein Befehl an Sakowicz und an den schwedischen Kommandanten. Den mußte er unterschreiben, obwohl er kaum die Hand führen konnte. – Das ist ihre Freiheit! Ihre Sicherheit! Ich schwöre, ich werde mich allwöchentlich peitschen lassen, ich werde eine neue Kirche errichten lassen; aber ihr Leben riskieren, das konnte ich nicht! Gut, ich besitze nicht die opfermütige Seele eines Römers, – ich bin kein Cato wie Pan Skrzetuski! Gut! Ihr Leben riskieren, das kann ich nicht! Nein, zum Teufel, selbst wenn meiner ewige Martern im künftigen Leben warten sollten!«
Hier schloß Wolodyjowski den Mund Pan Andreas' und rief mit erschrockener Stimme:
»Führen Sie keine gotteslästerlichen Reden! Sie werden noch Gottes Strafe auf sich rufen. Büßen Sie lieber, schnell, schnell!«
Kmicic begann sich vor die Brust zu schlagen und mehrmals zu wiederholen: » Mea culpa! Mea maxima culpa !« Dann fing er an wie ein Kind zu schluchzen. Der arme Pan Andreas wußte
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