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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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wirklich nicht, was er tun sollte.
    Wolodyjowski ließ ihn sich ruhig ausweinen, dann erst fragte er ihn:
    »Und was denken Sie jetzt zu tun?«
    »Ich gehe mit meiner Abteilung, wohin man mich schickt. Am liebsten nach Birze! – Doch die Leute und die Pferde müssen sich erst erholen. Jetzt ist Preußen ganz wehrlos; es stehen nur wenige kleine Garnisonen dort.«
    Pan Michail seufzte.
    »He, ich würde gern mit Ihnen gehen, aber was kann ich tun? Der Dienst geht vor! – Hören Sie, Freund, wenn Sie beide auffinden, dann – beschützen Sie auch die andere.«
    Und der kleine Ritter warf sich Pan Andreas in die Arme.

12. Kapitel.
    Nachdem Alexandra und Anna glücklich mit Hilfe des Kommandanten Braun aus Tauroggen herausgekommen waren, gelang es ihnen bald, die Partei des Miecznik zu erreichen, die sich noch in der Nähe von Tauroggen aufhielt. Der alte Schlachtschitz wollte zuerst seinen Augen nicht trauen. Er weinte vor Freude, dann aber geriet er in die denkbar kriegerischste Stimmung. Mochte nicht nur Boguslaw, sondern auch der schwedische König selbst mit seiner ganzen Macht kommen, der Pan Miecznik wollte die Mädchen bis zum letzten Blutstropfen verteidigen.
    Pan Billewicz hatte sich in der Tat ganz verändert; er schien jünger geworden zu sein. Seine Energie war wieder aufgelebt. Im Felde und zu Pferde fühlte er sich wie zu Hause. Seine Partei bestand aus fünfhundert Reitern und dreihundert Mann Fußvolk. Und sie alle waren mit den verschiedensten Waffen ausgerüstet, zumeist mit Zaunpfählen, Säbeln und Waffen vergangener Jahrhunderte. Eine solche Partei konnte es wohl mit Räuberbanden und kleinen schwedischen Abteilungen aufnehmen, aber größere Kriegsoperationen vorzunehmen, das war ihr unmöglich.
    Inzwischen waren alle Dörfer und Flecken wieder in die Hände der Polen gekommen, da die Schweden sich aus Vorsicht in die größeren Städte zurückzogen, von wo aus sie Streifzüge in die Umgebung unternahmen. Auf der Grenze von Livland fühlten sich übrigens die Konföderierten schon so stark, daß sie es wagten, Birze zu belagern, das nach dem zweiten Sturme auch in ihre Hände fiel. Der Fall Birzes erklärte sich durch die Abwesenheit von de la Gardie, der alle in der Umgegend liegenden Truppen sammelte, um Riga gegen die Angriffe des zarischen Heeres zu verteidigen. Die glänzenden Siege de la Gardies ließen die Annahme zu, daß der Krieg in Livland bald beendet sein werde, und daß die siegestrunkenen Schweden alsdann Smudien überschwemmen würden. Für alle Fälle zogen sich die Konföderierten in die Tiefe der Jahrhunderte alten Wälder zurück, wo sie sicher waren, von den Schweden nicht aufgesucht zu werden. Auch der Miecznik zog es vor, mit seiner Partei in den Wäldern zu bleiben und gab den Gedanken an die Bialowiczer Heide auf.
    »Gott hat uns einen trockenen Herbst geschickt,« erklärte er den beiden Mädchen, »also wird es uns nicht schwer werden, » sub Jove « zu leben. Ich lasse für euch ein Zelt aufschlagen, gebe euch eine Frau zur Bedienung, und dann könnt ihr bei uns bleiben. Kommt ein Unwetter, so suchen wir für euch irgend eine Hütte.«
    Der Vorschlag gefiel der Panna Borzobohata. Es gab in der Partei mehrere Billewicz', große und gutgewachsene Gestalten. Und dann sprach man auch davon, daß Pan Babinicz bald ankommen mußte. Zuerst wird er alle Schweden niedermetzeln; dann aber, – dann wird kommen, was Gott vorher bestimmt hat! – Alexandra war auch mit dem Plane des Miecznik einverstanden, nur schlug sie vor, um den Verfolgungen Sakowicz' zu entgehen, sich noch etwas weiter zu entfernen, vielleicht bis nach Wodokty.
    Der Miecznik, der im Innern seiner Seele vor Sakowicz zitterte, sträubte sich nicht lange. Noch an demselben Tage schickte er sein Fußvolk unter dem Befehle des jungen Jur Billewicz voran, während er selbst zwei Tage später mit seinen Reitern aufbrach.
    Nach sieben Tagen erreichte die Partei des Miecznik Lubicz, das dicht an der Grenze von Lauda lag. Die Pferde waren so erschöpft, daß Pan Billewicz trotz aller Bitten Alexandras seine Abteilung dort übernachten lassen mußte. Lubicz verdankte es einem glücklichen Zufalle, daß es während des Krieges nicht zerstört worden war. Alles stand noch, wie es vordem gewesen, und mit dem Gefühle eines starken Schmerzes und mit einer großen Bitterkeit im Herzen überschritt Alexandra die Schwelle des Lubiczer Hauses. Alles hier war ihr bekannt: Der Flur, das mit Porträts und Schädeln von Auerochsen

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