Sintflut
»hier handelt es sich doch nur um Sie.«
Plötzlich kehrten Alexandras Kräfte wieder zurück. Sie erhob sich wieder, sah Wolodyjowski scharf in die Augen und schrie zornig, ungeduldig, in voller Verzweiflung:
»Um Gottes willen, so antworten Sie doch! Ist er tot?«
»Pan Kmicic ist verwundet,« antwortete der erstaunte Pan Wolodyjowski.
»Lebt er?«
»Er lebt.«
»Ich danke Ihnen!«
Mit wankenden Schritten ging sie zur Tür. Wolodyjowski stand einige Zeit still, schüttelte den Kopf und fragte sich selbst: »Dankt sie mir dafür, daß ich ihn verwundet habe oder dafür, daß er lebt?«
Er ging ihr nach und sah sie im Schlafzimmer unbeweglich stehen. Vier Edelleute brachten Pan Kmicic herein, die ersten beiden traten gerade in die Tür, in ihren Armen lag Pan Andreas; sein Kopf mit dem getrockneten Blut in den Haaren hing mit geschlossenen Augen, wie leblos nach vorn über.
»Vorsichtiger!« kommandierte der ihnen folgende Domaszewicz.
»Vorsichtiger! Geht langsam über die Schwelle! Stützt seinen Kopf!«
»Wie sollen wir ihn stützen, wenn wir keine Hand frei, haben?« fragte einer der Tragenden.
In diesem Augenblicke trat Alexandra auf sie zu, bleich wie Kmicic, und legte ihren Arm unter seinen herabhängenden Kopf.
»Das ist die Panna!« sagte Christof Domaszewicz.
»Ja, ich bin es! – Seid vorsichtig!« sagte sie mit leiser Stimme.
Man legte Kmicic auf das Bett, Domaszewicz wusch ihm den Kopf, legte ihm ein vorher bereitetes Pflaster auf die Wunde und sprach:
»Die Hauptsache ist, daß er jetzt ganz ruhig liegen bleibt. Muß der einen eisernen Schädel haben, daß er von solch einem Hieb nicht gespalten ist. Vielleicht wird er wieder gesund; er ist ja noch jung. – Gestatten Sie mir, Panna, daß ich Ihnen die Hände wasche? – Sie müssen wahrlich ein gutes Herz haben, wenn Sie sich nicht scheuten, eines solchen Menschen wegen Ihre Hände zu besudeln.«
Er trocknete ihr die Hände mit einem Tuch; sie stand willenlos und wurde erschreckend bleich. Wolodyjowski eilte zu ihr:
»Panna, Sie brauchen jetzt nicht mehr hier zu bleiben. Sie haben Ihre Christenpflicht auch dem Feinde gegenüber erfüllt. Kehren Sie wieder nach Hause zurück.«
Er bot ihr den Arm, sie aber sah ihn nicht einmal an, sondern wandte sich Domaszewicz zu:
»Pan Christof, begleiten Sie mich!« Sie gingen hinaus, Pan Wolodyjowski folgte ihnen. Draußen begrüßten sie die Edelleute mit freundlichen Zurufen; sie aber ging bleich, schwankend, mit zusammengepreßten Lippen und einem unruhigen Feuer in den Augen durch ihre Reihen.
Eine Stunde später kehrte Wolodyjowski an der Spitze der Laudaer Schlachta nach Hause zurück. Die Sonne war schon aufgegangen; es war ein schöner Morgen, ein Morgen, der den nahenden Frühling verkündete. Pan Wolodyjowski ritt schweigsam, in sich versunken, dahin. Die Augen, die unter dem aufgelösten Haar so traurig hervorsahen, und die schlanke, hochgewachsene Gestalt gingen ihm nicht aus dem Kopfe.
»Wie wunderbar schön!« dachte er, »eine wahre Fürstin! Ich habe ihr ihren Ruf gerettet, – vielleicht auch ihr Leben. – Sie müßte mir doch eigentlich dankbar sein. – Wer aber kann ein Weiberherz begreifen?« –
8. Kapitel.
Solche Gedanken ließen Wolodyjowski die ganze Nacht nicht schlafen. Mehrere Tage dachte er nur an Panna Alexandra, und er begriff, daß er sie tief in sein Herz geschlossen hatte. Und die Laudaer Edelleute wollten sie doch gern mit ihm vermählen. Es ist wahr, sie hatte ihn entschieden ausgeschlagen; aber damals kannte sie ihn noch nicht. Jetzt stand die Sache doch anders. Er hatte sie ritterlich aus den Händen des Entführers befreit. – Ihretwegen setzte er sich einer Lebensgefahr aus; hatte er sie nicht erobert wie eine Festung? – Wem gehörte sie sonst, wenn nicht ihm? – Darf sie ihm ihre Hand verweigern? Konnte sich das Gefühl der Dankbarkeit nicht plötzlich in Liebe gewandelt haben? Wie oft kommt es im Leben vor, daß ein gerettetes Mädchen ihrem Erretter Herz und Hand schenkt! – »Was aber, wenn sie doch jenen liebt? Kann nicht sein!« so redete zu sich selbst Wolodyjowski. »Wenn sie ihn nicht von sich gewiesen, so hätte er sie nicht mit Gewalt entführen dürfen. – Freilich, sie stützte ihm so liebevoll seinen Kopf; aber gute Frauen haben stets Mitleid mit Verwundeten, auch mit ihren Feinden. – Was also soll ich zögern?« dachte er weiter. »Eine bessere Gelegenheit kann ich nicht abwarten. – Ich muß mein Glück versuchen.«
Für
Weitere Kostenlose Bücher