Sintflut
Sie doch mein Ehrgefühl!«
»Gut,« sagte Wolodyjowski.
Man vernahm ein kurzes, scharfes Sausen, dann einen erstickten Aufschrei. Kmicic machte eine schnelle Bewegung mit den Armen; sein Säbel fiel zu den Füßen des Oberst, und er stürzte mit dem Gesicht zu Boden.
»Er lebt!« sagte Wolodyiowski, »er ist nicht auf den Rücken gefallen.« Dann trocknete er an Kmicic' Rockschoß seinen Säbel ab.
Plötzlich schrieen die Edelleute los:
»Schlagt den Verräter tot! – Zerhackt ihn in Stücke!«
Die Butryms stürzten mit gezückten Säbeln auf Kmicic zu. – Da ereignete sich etwas Ungewöhnliches. Es war, als ob der kleine Pan Wolodyjowski plötzlich vor den Augen der ganzen Schlachta gewachsen sei. Der Säbel des zunächst stehenden Butrym flog aus dessen Hand wie vorher Kmicic' Säbel, und Pan Wolodyjowski rief mit vor Zorn funkelnden Augen:
»Schande über euch! – Weg! – Jetzt gehört er mir, nicht euch! Fort!«
Alle schwiegen, den Zorn des Ritters fürchtend. Pan Michail fuhr fort: »Wo sind wir? – Ihr, Edelleute solltet die Rittersitten kennen; einen Verwundeten schlägt man nicht tot! Das tut man selbst dem Feinde nicht, wieviel weniger einem Gegner, den man im ehrlichen Zweikampf besiegt hat.«
»Er ist ein Verräter!« brummte einer der Butryms, »er muß niedergestochen werden.«
»Ist er ein Verräter, so liefert ihn dem Hetman aus, daß er seiner gerechten Strafe nicht entgehe, anderen zum warnenden Beispiel. – Wer von euch versteht, Wunden zu verbinden?«
»Christof Domaszewicz. Er verbindet alle im Laudagebiet.«
»So soll er ihn gleich untersuchen und auf ein Ruhebett legen. – Ich werde inzwischen gehen, die unglückliche Panna zu beruhigen.«
Pan Wolodyjowski steckte seinen Säbel in die Scheide und trat durch die zerschlagene Tür ins Herrenhaus. Die Edelleute begannen Kmicic' Leute zu fangen und zu binden, die von nun an gezwungen wurden, die Felder der Schlachta zu bestellen. Sie ergaben sich, ohne viel zu kämpfen. Dann plünderte die Schlachta die Wagen, in denen sie reiche Beute fand.
Wolodyjowski suchte inzwischen die Panna im ganzen Hause; endlich fand er sie in einer Vorratskammer, in die eine kleine eiserne Tür aus dem Schlafzimmer führte. Es war ein kleiner, mit schmalen, vergitterten Fenstern versehener Raum, der so festgemauert war, daß selbst für den Fall, daß Kmicic das Haus in die Luft gesprengt hätte, er unversehrt geblieben wäre. Diese Beobachtung nötigte den Oberst, etwas besser über Kmicic zu denken. –
Panna Alexandra saß auf einer Truhe, mit gesenktem Haupte, das sie selbst beim Herannahen des Ritters nicht erhob. Wahrscheinlich wähnte sie, Kmicic oder einer seiner Leute sei gekommen. Pan Wolodyjowski blieb an der Tür stehen, er nahm die Mütze ab und hustete zweimal. Als er sah, daß auch dies nicht half, sagte er:
»Panna, Sie sind frei!«
Alexandra hob den Kopf; unter ihren aufgelösten Haaren sahen blaue Augen und ein reizendes, bleiches Gesicht hervor.
Wolodyjowski erwartete einen Ausbruch der Freude, wenigstens ein Wort des Dankes; die Panna aber sah ihn noch immer mit traurigen Augen bewegungslos an. Der Ritter wiederholte seine Worte:
»Kommen Sie zu sich! Der Herr hat sich Ihrer erbarmt! Sie. sind frei und können nach Wodokty zurückkehren.«
Panna Alexandra blickte ihn etwas verständnisvoller an, stand auf und schüttelte ihr Haar zurück.
»Wer sind Sie?«
»Ich bin Michail Wolodyjowski, Dragoner-Oberst vom Wilnaer Militärbezirk.«
»Sprechen Sie! – Ich hörte etwas wie einen Kampf, – ich hörte Schüsse. – Sprechen Sie doch!«
»Sie haben recht gehört. Wir kamen Ihnen zu Hilfe.«
Panna Billewicz kam ganz Zu sich.
»Ich danke Ihnen,« sagte sie mit heiserer Stimme, aus der eine quälende Unruhe herausklang. – »Wie aber steht es mit jenem?«
»Mit Kmicic? – Seien Sie ohne Sorge, er liegt bewußtlos auf dem Hofe. – Ohne zu prahlen, kann ich behaupten, daß das mein Werk ist.«
Wolodyjowski sagte dies letztere mit einiger Selbstzufriedenheit; aber wenn er Bewunderung erwartete, so sah er sich bitter getäuscht. Panna Villewicz sagte kein Wort, – sie schwankte nur und begann nach einer Stütze zu suchen. Dann ließ sie sich schwer auf die Truhe nieder, auf der sie vorher gesessen hatte.
Der Ritter sprang schnell hinzu.
»Was ist Ihnen, Panna?«
»Nichts, – nichts! – Warten Sie, – Erlauben Sie. – Pan Kmicic ist also tot?«
»Was kümmert mich Pan Kmicic jetzt!« unterbrach sie Wolodyjowski,
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