Sintflut
Fastnachtsscherz?
Der Fürst lachte laut auf.
Bald aber verfinsterte sich wieder sein Gesicht. – Starke nehmen nur Starke in ihre Mitte auf. Radziwill, der um Hilfe gegen Litauen bettelt, wird von niemandem beachtet werden!
Vor allem mußte er verhindern, daß die polnischen Banner zum Witebsker Wojewoden übergehen, er mußte sie für sich gewinnen. Dazu konnten ihm die ausländischen Offiziere nicht verhelfen; er brauchte Polen, die durch ihren Namen, ihren Ruhm Und ihr Beispiel die Soldaten anwerben konnten. – »Charlamp ist gut auf dem Schlachtfelde zu gebrauchen, für was anderes taugt er nicht; – Niewiarowski ist unbeliebt im Heere und hat gar keinen Einfluß; bleibt einzig und allein noch Kmicic. – Er ist unternehmungslustig, verwegen und der Träger eines berühmten Namens; er ist ein geborener Anführer der unruhigen Elemente in Litauen, er wird die Herzen der jungen Ritter mit sich reißen und mein Lager mit Leuten überfüllen. – Aber auch er war schwankend geworden. Zwar hat er mir den Stab nicht vor die Füße geworfen, aber meinem Rufe ist er auch nicht gefolgt. Auf niemanden kann man sich verlassen, niemandem trauen!«
»Du verfällst der Schande,« flüsterte ihm sein Gewissen zu.
»Litauen wird dein,« antwortete darauf sein Stolz.
Radziwill versank tief in Gedanken.
In den Strahlen des Mondes, die hell in das Zimmer fielen, sieht er sich Gestalten bilden, ihre Zahl wächst mehr und mehr. Auf einer breiten, hellen Straße sieht er Truppen auf sich zukommen. Regimenter marschieren im Panzer, Husaren und leichte Kavallerie kommen angeritten, und über ihnen allen naht ein ganzer Wald von Fahnen. Voran reitet ein Mann, er trägt keinen Helm auf dem Kopfe. Es ist ein Triumphator, der vom siegreichen Kriege heimkehrt. Ringsum herrscht tiefe Stille; doch plötzlich vernimmt er jubelnde Rufe des Volkes und des Heeres. »Es lebe der Retter des Vaterlandes! Es lebe der Retter des Vaterlandes!« Die Truppen kommen immer näher; ihr Führer trägt einen Hetmanstab, und an der Anzahl der Roßschweife, die von der Fahne über seinem Kopfe wehen, sieht man, es ist der Großhetman. Und nun erkennt Radziwill auch die Züge des Feldherrn.
»Im Namen des Vaters und des Sohnes!« schrie der Fürst auf, »das ist Sapieha, der Witebsker Wojewod. Und wo bin ich? Was ist mir bestimmt?«
Radziwill schlug die Hände zusammen. In der Tür erschien der unermüdliche Harasimowicz und verbeugte sich tief.
»Licht her!« rief der Fürst.
Harasimowicz ging hinaus und kehrte gleich mit einem Leuchter zurück.
»Euer Durchlaucht,« sagte er, »es ist Zeit zu ruhen; die Hähne haben schon zum zweiten Male gekräht.«
»Ich will nicht ruhen,« antwortete der Fürst. »Ich war ein wenig eingeschlafen, ein Alp bedrückte mich. – Was gibt es Neues?«
»Ein Schlachtschitz brachte einen Brief aus Nieswiez vom Fürsten-Obermundschenk.«
»Gib schnell den Brief her!«
Harasimowicz überreichte den Brief. Der Fürst brach das Siegel auf und las folgendes:
»Möge Gott, der Allmächtige, Ihre Durchlaucht vor Plänen behüten, die unserem Hause zu Schmach und Schande gereichen könnten! Als Lohn einer solchen Tat winkt keine Krone, sondern ein Büßerhemde. – Die Macht unseres Hauses liegt auch mir am Herzen. Wie Sie wissen, bewarb ich mich deshalb um eine Stimme im Reichstage. Aber für keine Belohnung und für keine Auszeichnung wird mir das Vaterland und der König feil sein. – Gedenken Ihre Durchlaucht an die Verdienste Ihrer Ahnen, an ihren unbefleckten Ruhm, und besinnen Sie sich, solange es noch Zeit ist. Selbst wenn schon etwas geschehen ist, so kehren Sie dennoch um; denn Reue kann jede Sünde gut machen. Jedenfalls erwarten Sie von mir keine Unterstützung. Ich sage Ihnen schon heute, daß ich meine Kräfte mit denen des Pan Unterschatzmeisters und des Witebsker Wojewoden vereinigen werde. – Ich ziehe es hundertmal vor, die Waffen gegen Ihre Durchlaucht zu erheben, als meine Hand zu dem schimpflichen Verrat zu reichen. – Des weiteren vertraue ich Sie Gottes Führung an.
Michail-Kasimir Radziwill, Fürst zu Nieswiez und Olic, Obermundschenk des Großfürstentums Litauen.«
Der Hetman ließ den Brief auf seine Kniee fallen; ein krampfhaftes Lachen verzerrte sein Gesicht.
»Auch der verläßt mich. Das eigene Blut sagt sich von mir los, nur weil ich unserem Hause zu unerhörtem Glanze verhelfen möchte. – Cha! Es ist keine leichte Sache! Boguslaw, der aber bleibt mir, der verläßt mich nicht.
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