Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
Schicksal auf mein Haupt setzen, zu verzichten? Soll ich ruhig mit ansehen, wie unser Vaterland dem endgültigen Verderben geweiht wird? Zum hundertsten Male frage ich dich: Wo ist ein anderes Mittel, zeige mir eine andere Rettung? – So geschehe also der Wille Gottes. Ich fühle die Kraft in mir, diese Bürde auf meine Schultern zu nehmen. Ich werde das Land von Feinden säubern; die Regierung meines Hauses wird mit einem Siege und der Erweiterung der Landesgrenzen beginnen. Überall werden Friede und Ruhe einkehren. Aber bei alledem habe ich noch nicht das Ziel meiner Pläne erreicht. – Ich schwöre bei Gott im Himmel, bei diesen verlöschenden Sternen, daß ich das zerfallene Reich wieder aufrichten und fester begründen werde, als es je gewesen.«
    Die Augen des Fürsten leuchteten; sein Gesicht erstrahlte im Glanze einer höheren Macht.
    »Durchlaucht,« sagte Kmicic, indem er schwer nach Luft rang, »mein Geist ist nicht imstande, all das, was Sie mir auseinandersetzen, zu fassen. Mein Kopf glüht, und meine Augen wagen es nicht, in die Zukunft zu schauen.«
    »Und dann – – –,« fuhr der Fürst, seinen Gedanken weiterfolgend, fort, »dann – – – Die Schweden werden Jan-Kasimir weder seiner Würde noch des ganzen Reiches berauben; Masovien und Klein-Polen werden sie ihm lassen. Jan-Kasimir hinterläßt keine Nachkommen. Nach seinem Tode werden die Polen einen anderen König wählen. – Und sie können keinen anderen wählen, als den Beherrscher von Litauen. Sie können nicht, sage ich, denn sie müssen sonst zugrunde gehen. Ein Blinder ist es, der das nicht sieht; ein Dummer, der das nicht begreift! Und dann werden wir sehen, wie die skandinavischen Herrscher sich in ihren preußischen und großpolnischen Besitzungen halten werden. – Dann werde ich sie mit meinen Füßen zerstampfen und beide Länder wieder zu einem Reiche vereinigen. Ich werde eine Macht gründen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat! – Großer Gott, der du die Bewegungen der Himmelslichter leitest, gib mir die Kraft, dir und deinem Christentume zum Ruhme dieses unglückliche Land zu retten! Schicke mir Menschen, die mich verstehen und mir helfen bei diesem Werke! – Herr Gott! Du siehst mich! Du richtest mich!«
    Der Fürst erhob flehend seine Arme gen Himmel.
    »Durchlaucht! Durchlaucht!« rief Kmicic aus.
    »Geh, verlaß mich! Wirf mir gleich jenen deinen Stab vor die Füße! Brich deinen Schwur! Nenne mich einen Verräter, daß in meiner Dornenkrone nicht ein einziger Dorn fehle! – Geht alle, stürzt das Land ins Unglück, gebt es dem Verderben preis, stoßt den Arm fort, der es retten kann! Und dann geht vor Gottes Richterstuhl; er wird euch richten!«
    Kmicic sank vor Radziwill in die Knie.
    »O, Fürst, ich bleibe bei euch bis zum Tode! – Vater des Vaterlandes! Erlöser!«
    Radziwill legte beide Hände auf Kmicic' Kopf; tiefe Stille trat ein.
    »Du wirst alles erhalten, was du gewünscht und erstrebt hast,« sagte feierlich der Fürst. »Du wirst mehr erreichen, als dein Vater und deine Mutter sich je haben träumen lassen. – Steh auf! Du zukünftiger Großhetman und Wojewod von Wilna!« – – –
    Die Morgenröte am Himmel verkündete den Anbruch des neuen Tages.
    Ende des ersten Buches.

Zweites Buch.
1. Kapitel.
    Pan Zagloba hatte schon einen tüchtigen Rausch, als er dem schrecklichen Hetman dreimal das Wort »Verräter!« ins Gesicht schleuderte. Nach einer Stunde, als er etwas zu sich gekommen war, und er sich mit den beiden Skrzetuskis und Pan Michail im unterirdischen Gefängnis von Kiejdane befand, begriff er, welcher Gefahr er sein Leben ausgesetzt hatte. Und er begann sich stark zu beunruhigen.
    »Und was wird jetzt?« fragte er den kleinen Ritter, auf den er im Augenblicke der Not große Hoffnungen setzte.
    »Hol mich der Teufel! Mir ist alles gleich!« entgegnete Wolodyjowski.
    »Wir werden solche Zeiten und solche Schmach erleben, wie sie die Welt bisher noch nicht gesehen hat!« sagte Jan Skrzetuski.
    »Schön, wenn wir es nur erleben! – So könnten wir als Beispiele der Tugend für viele andere gelten,« meinte Zagloba. »Ob wir es aber erleben, das ist noch die Frage.«
    »Es ist schrecklich, kaum glaublich!« rief Stanislaus Skrzetuski aus. »Ist je so etwas mal vorgekommen? Alles fängt an, sich bei mir im Kopfe zu drehen. Rettet mich aus diesem Wirrsal. Zwei Kriege im Lande; der dritte gegen die Kosaken, und zu alledem wütet der Verrat im Lande wie eine Seuche. Das Ende der Welt

Weitere Kostenlose Bücher