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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Vaterland zu retten, so überlaß das mir und vertraue mir!«
    »Ich kann nicht!« stöhnte Kmicic auf.
    Radziwill schüttelte unwillig den Kopf.
    »Auf jene habe ich nicht gerechnet; ich habe vorausgesehen, wie es mit ihnen enden wird. Aber in dir habe ich mich geirrt. Ich glaubte, daß in dir eine kühne Seele lebe, die zu großen Taten fähig ist. – Solche Leute kann ich gut gebrauchen. Um mich war keiner, der sich erdreistet hätte, der Sonne kühn ins Antlitz zu sehen. Lauter Dutzendmenschen, denen man es nicht zumuten darf, einen anderen Weg zu gehen als den ihrer Väter und Großväter. Und wohin hat uns dieser alte Weg geführt? Wohin, wenn nicht zum Abgrund? Wie steht es jetzt mit der Republik, die einst der ganzen Welt Furcht einflößte?«
    Der Fürst preßte seine Hände gegen die Stirn und wiederholte:
    »Gott! Gott! Gott!«
    »Die Stunde des göttlichen Zornes ist angebrochen.« fuhr er nach einer langen Pause fort. »Eine Zeit des Unheils ist gekommen, des Verderbens, und gewöhnliche Hilfsmittel reichen jetzt nicht aus. Und da verlaßt ihr mich alle, auf die ich gerechnet habe. Du, der du mir beim Kruzifixe, bei den Leiden Christi Treue geschworen. – Glaubst du wirklich, daß ich mich für alle Ewigkeit unter den Schutz Karl-Gustavs begeben habe? Daß ich im Ernste denke, dieses Land Schweden anzugliedern? Daß dieser Vertrag, für den man mich Verräter nannte, länger als ein Jahr existieren wird? Warum siehst du mich so verwundert an? Du wirst noch mehr staunen, wenn du alles erfährst. – Erschrick nicht, denn es wird geschehen, was niemand erwartet, was ein gewöhnlicher Geist nicht ausdenken kann. Aber ich sage dir, zittere nicht; denn das bedeutet die Rettung des Landes. Verlasse mich nicht, denn wenn mir niemand hilft, werde ich untergehen und mit mir zugleich die ganze Republik, und ihr alle – für alle Ewigkeit. – Ich allein kann sie retten, deshalb aber muß ich alle Hindernisse zertreten und vernichten. Wehe dem, der sich mir in den Weg stellt, Gott selbst wird ihn mit seiner Strafe treffen, sei es der Wojewod von Witebsk, sei es Pan Gosiewski, das Heer oder die rebellische Schlachta. – Ich will das Vaterland erretten, und alle Wege, alle Mittel dazu sind mir recht! Rom berief in dem Augenblicke der höchsten Gefahr Diktatoren, – auch ich brauche jetzt unumschränkte Gewalt! Nicht Ehrgeiz treibt mich auf diesen Weg! – Wer sich stärker fühlt, der soll ihn für mich gehen. – Da aber niemand kommt, so reiße ich diese Gewalt an mich, selbst wenn diese Wände über meinem Kopfe zusammenstürzen sollten.«
    Radziwill erhob beide Hände, als wolle er in der Tat die stürzenden Mauern von seinem Haupte abwehren. Er erschien in diesem Augenblicke von einer solchen Majestät, daß Kmicic ihn mit weitgeöffneten Augen ansah, als wenn er ihn zum erstenmal im Leben sähe.
    »Und was erstreben Sie? – Was wollen Euer fürstliche Durchlaucht?« fragte er mit veränderter Stimme.
    »Ich will – eine Krone!« rief Radziwill laut.
    »Jesus Maria!«
    Einen Augenblick trat tiefe Stille ein.
    »Höre!« sagte der Fürst, – »die Zeit ist da, dir alles zu eröffnen. – Die Republik geht zugrunde, sie muß untergehen, es gibt keine Rettung für sie. Es handelt sich jetzt lediglich darum, Litauen vor dem Verderben zu retten. – Und dann, dann soll die ganze Republik wieder aus der Asche auferstehen – wie ein Phönix. – Und ich werde das alles vollbringen. Und die Krone, nach der ich strebe, wird sein wie eine Dornenkrone, die ich mir aufs Haupt setze, um neues Leben aus dem großen Grabe hervorzurufen. – Erzittere nicht; – die Erde öffnet sich nicht; alles steht auf seinem rechten Platze. Große Taten künden den Aufgang einer neuen Zeit an. – Ich habe dieses Land den Schweden ausgeliefert, um mit ihrer Hilfe einen anderen Feind zu vertreiben und das Verlorene wieder zu erobern. Verstehst du mich? In dem steinigen, öden Schweden aber werden sich nicht genug Kräfte, genug Soldaten, genug Säbel finden, um die ganze, ungeheure Republik zu erobern. Sie können wohl unser Heer ein-, zweimal besiegen, aber uns zu beherrschen, uns in Zaum zu halten, dessen sind sie nicht fähig. – Das weiß auch Karl-Gustav, er will deshalb auch nicht die ganze Republik erobern. Er wird sich mit Preußen und einem Teil Groß-Polens zufrieden geben. Er wird Litauen, wenn ich es nicht aus seinen Händen annehme, irgend jemandem geben. – Habe ich da ein Recht auf die Krone, die Gott und das

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