Sintflut
bedeckt und der ungarischen Fahne in der Hand erschien Kmicic vor Radziwill, der ihn mit offenen, Armen empfing. Doch Kmicic war nicht siegesfroh; finster und zornig, als wenn er Gewissensbisse empfände, so trat er herein.
»Euer Durchlaucht,« sagte er, »mich gelüstet es keineswegs gelobt zu werden. Ich zöge es hundertmal vor, gegen den Feind zu kämpfen, als gegen Soldaten, die dereinst dem Vaterlande von Nutzen sein können. Ich habe das Gefühl, gegen mich selbst ins Feld gezogen zu sein.«
»Und ist dies nicht allein die Schuld der Rebellen?« entgegnete der Fürst.
»Durchlaucht, was gedenken Sie mit den Gefangenen zu tun?«
»Jeden zehnten der Soldaten werde ich erschießen lassen; den Rest werde ich in verschiedenen Regimentern unterbringen. Du wirst heute mit meinem Befehle zu den Bannern von Mirski und Stankiewicz reiten. Ich ernenne dich zum Befehlshaber dieser beiden Banner und des dritten von Wolodyjowski.«
»Und was soll ich im Falle eines Widerstandes tun? In Wolodyjowskis Banner steht die Laudaer Schlachta, die mich haßt.«
»Teile ihnen mit, daß Mirski, Stankiewicz und Wolodyjowski ohne Verzug erschossen werden.«
»So werden sie bewaffnet gegen Kiejdane ziehen und ihre Obersten zu befreien suchen.«
»Nimm ein schottisches und ein deutsches Regiment mit, umzingle sie erst und lies dann meinen Befehl vor.«
»Wie Euer Durchlaucht befehlen.«
Radziwill versank in Gedanken.
»Mirski und Stankiewicz würde ich sehr gern erschießen lassen, wenn sie nur nicht so populär im ganzen Lande wären. Ich fürchte einen offenen Aufstand... – Jedenfalls muß gehandelt werden, ehe die Rebellen zu dem Witebsker Wojewoden übergegangen sind.«
»Durchlaucht sprachen nur von Mirski und Stankiewicz; wie denken Sie über Wolodyjowski und Oskierka?«
»Oskierka muß auch geschont werden; er ist aus hoher Familie und hat große Verbindungen im Lande. Wolodyjowski aber ist aus Klein-Rußland und hat keinen Verwandten hier. – Es ist wahr, er ist ein tapferer Soldat; ich habe sehr auf ihn gerechnet, – aber nach dem, was gestern geschehen, muß er sterben. Ebenso wie die beiden Skrzetuskis und jener dritte Stier, der zuerst zu brüllen begann: »Verräter, Verräter!«
Pan Andreas sprang auf, als hätte man ihn mit einem glühenden Eisen berührt.
»Euer Durchlaucht, die Soldaten erzählen, Wolodyjowski habe Ihnen das Leben gerettet!«
»So tat er seine Pflicht, und ich habe ihm dafür Dydkiemie geschenkt. – Jetzt ist er mir untreu geworden, und dafür werde ich ihn erschießen lassen.«
Kmicic' Augen loderten auf; die Nüstern blähten sich.
»Euer Durchlaucht,« begann er hastig, »von Wolodyjowskis Haupte darf kein Haar fallen! Verzeihen Sie mir, Durchlaucht, ich flehe Sie darum an! Wolodyjowski verdanke ich vieles. – Er hätte mir Ihren Befehl vorenthalten können; denn Sie überließen dies seiner Einsicht. Er aber hat ihn mir ausgehändigt. – Er hat mich aus dem Abgrund gerissen. Ihm verdanke ich es, daß ich in Ihren Diensten stehe. – Er hat nicht einen Augenblick geschwankt, mich zu retten, obschon er selbst die Hand des Mädchens erstrebte, das ich liebe. – Ich verdanke ihm alles, und ich habe mir zugeschworen, es ihm zu vergelten. Durchlaucht, tun Sie es meinetwegen und verhängen Sie weder über ihn noch über seine Freunde die Todesstrafe. – Kein Haar darf an ihren Häuptern gekrümmt werden, das schwöre ich bei Gott! Ich flehe Sie an, Durchlaucht!«
Pan Andreas bat und faltete zwar die Hände; aber in seinen Worten, in seinem Tone lagen ohne Absicht Zorn und Drohung. Seine wilde, unbezähmbare Natur kam zum Vorschein. Er stand erregt und mit funkelnden Augen vor Radziwill. Das Gesicht des Hetmans verzerrte sich vor Wut. Zum erstenmal empfand der Despot, daß er auf dem Wege des Verrates sich mehr als einmal dem Willen anderer beugen müsse. Er fühlte, daß er oft von noch viel bedeutungsloseren Anhängern wie Kmicic war, abhängig sein werde. – Das empörte die stolze Seele Radziwills, und er beschloß Widerstand zu leisten.
»Wolodyjowski und jene drei müssen ihre Tat mit ihrem Leben büßen,« sagte er festen Tones.
Aber mit Kmicic so zu reden, hieß Funken in ein Pulverfaß schleudern.
»Hätte ich die Ungarn nicht geschlagen, so hätten sie nicht zu sterben brauchen!«
»Wie! Willst du mir deine Verdienste vorwerfen?« fragte der Hetman.
»Durchlaucht!« sagte mit brechender Stimme Kmicic, »ich werfe Ihnen nichts vor, – ich bitte, ich flehe. – Das
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