Sintflut
mein Pferd gegeben hat?«
»Pan Kommandant, der Soldat ist nicht schuldig. Die Nacht war so dunkel, daß man nichts sehen konnte. Er ist auch bei mir in Ihrem Helm und Mantel vorbeigeritten, und ich habe ihn nicht erkannt. – Hätten Sie sich nicht in den Wagen gesetzt, so wäre das nicht passiert. – Was tun wir aber jetzt?«
»Ihn einholen, wieder einfangen!«
»Dazu ist es zu spät! Er hat Ihr Pferd, das ist das schnellste von allen. Er ist schon bei dem ersten Hahnenschrei geflohen. Der ist nicht mehr einzuholen.«
»Fangen Sie den Wind auf dem Felde!« sagte Stankiewicz.
Kowalski brüllte die Gefangenen wütend an.
»Ihr habt ihm zur Flucht verholfen! Wartet, ich werde euch!«
Er wollte mit seinen ungeheuren Fäusten auf sie losgehen.
»Schrei nicht so! und bedenk', mit wem du sprichst!« sagte Mirski laut.
Pan Roch fuhr zusammen und machte unwillkürlich Front.
»Man muß sagen, Pan Roch,« sprach Oskierka, »Sie haben da einen mächtigen Bock geschossen. Was Sie da von unserer Beihilfe sagen, ist natürlich Unsinn. Erstens schliefen wir alle, und, zweitens wäre jeder von uns dann selbst geflohen. Sie waren wirklich ungeheuer nachlässig! Hier ist kein anderer daran schuld als Sie selbst. – Ich wäre der erste, der Sie erschießen lassen würde, dafür, daß Sie wie ein Murmeltier geschlafen und einen Gefangenen in Ihrem Helm und Mantel und auf eigenem Pferde haben fliehen lassen. Das ist ja einfach unerhört!«
»Jesus, Maria! – auch mein Säbel ist fort!«
»Den wird er gut gebrauchen können!« lächelte Stankiewicz. »Pan Oskierka hat recht: Sie haben wirklich sträflich leichtsinnig gehandelt. Haben Sie wenigstens noch Ihre Pistole?«
»Lieber Gott, auch die ist weg!« antwortete ganz niedergeschlagen Kowalski. »Auch der Brief des Pan Hetman an den Kommandanten von Birze ist weg! Was soll ich Unglücklicher nur anfangen? – Ich bin für alle Ewigkeit verloren! Es wäre mir besser, wenn man mich gleich totschösse!«
»Dem werden Sie ja auch nicht entgehen,« erwiderte feierlich Mirski. – »Wie denken Sie uns nun nach Birze zu bringen? – Sie werden sagen, Sie bringen uns als Gefangene, und wir werden Sie als Gefangenen ins Gefängnis abführen lassen. Wem, meinen Sie, wird man mehr Glauben schenken?«
»Ich bin verloren! verloren!« stöhnte Kowalski.
»Reden Sie keine Dummheiten!« sagte Wolodyjowski.
»Was soll geschehen, Pan Kommandant?« fragte der Wachtmeister.
»Scher dich zu allen Teufeln!« wurde Kowalski jetzt hitzig. »Woher soll ich wissen, was tun und wohin fahren? Daß doch ein Donnerwetter dreinschlage!«
»Fahren Sie, fahren Sie ruhig nach Birze,« sagte Mirski. »Sie werden dann schon sehen ...«
»Nach Kiejdane zurück! Umkehren!« schrie Kowalski.
»Einen Schafskopf soll man mich nennen, wenn man Sie dort nicht an die Mauer stellt und erschießt,« sprach Oskierka. »Wie können Sie vor den Hetman treten? Schmach und eine Kugel durch die Stirn, das ist das einzige, was Sie zu erwarten haben.«
»Ich verdiene auch nichts anderes!« seufzte der arme Pan Roch.
»Das sind alles Torheiten, Offizier! Wir allein können Sie retten,« redete Oskierka auf ihn ein. – »Sie wissen selbst, wir waren bereit, dem Hetman bis ans Ende der Welt zu folgen und ihm zu dienen, wie vorher; denn wir dienen ihm schon länger als Sie. Mehr als einmal haben wir unser Blut fürs Vaterland vergossen; aber der Hetman verriet das Vaterland und vereinigte sich mit dem Feinde gegen unseren gnädigen König, dem wir alle Treue geschworen haben. Glauben Sie, daß es einem Soldaten wie mir leicht geworden ist, die Disziplin zu verletzen und sich gegen den Hetman aufzulehnen? Doch wer jetzt zum Hetman hält, der ist wider den König; der ist ein Verräter. Unser Gewissen befahl uns, die Stäbe dem Hetman vor die Füße zu werfen. Und wer hat so gehandelt? Mirski, Stankiewicz, kurz, – die besten Soldaten. – Und wer ist dem Hetman treu geblieben? Der Auswurf, einzig und allein der Auswurf. Und Sie, warum folgen Sie nicht den Wegen der älteren und erfahreneren Offiziere? Wollen Sie Ihren Namen wirklich mit Schmach bedecken? Gehen Sie in sich, und fragen Sie Ihr Gewissen, wie Sie handeln sollen. Verräter sein bei Radziwill oder bei uns dem Vaterlande bis zum letzten Atemzuge dienen?«
Diese Rede schien auf Pan Roch großen Eindruck zu machen.
»Was wollen Sie von mir?« fragte er etwas später.
»Fahren Sie mit uns zusammen zum Witebsker Wojewoden.«
»Ich habe aber doch den
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