Sintflut
ihnen auszuliefern?«
»Vielleicht würde ich es vorziehen; aber wie mir befohlen ist, so muß ich es tun.«
»Auch Pani Kowalska würde es vorziehen, ich kenne sie. Unter uns gesagt, ist der Hetman gegen den König und das Vaterland rebellisch geworden. Sage es niemandem; aber tatsächlich ist es so. Und ihr, die ihr ihm dient, seid auch Rebellen.«
»So etwas darf ich nicht ruhig mit anhören. Der Hetman hat seine Vorgesetzten, und ich meine. Gott würde mich strafen, wenn ich ihnen den Gehorsam verweigerte!«
»Ganz recht, – aber merke dir eins: Wenn du den Rebellen in die Hände fielest, so würde ich frei werden, und dich träfe doch keine Schuld. Ich weiß nicht, wo die Banner stehen, aber du weißt es. – Und siehst du, wir könnten ja ganz zufällig auf sie stoßen.«
»Wieso denn?«
»Na so – es wäre doch nicht deine Schuld, wenn man uns befreite. – Und dein Gewissen würde mir gegenüber ganz rein sein; es ist keine leichte Sache, einen Verwandten auf dem Gewissen zu haben.«
»Ei, ei, Onkel, was redest du da! – Es wird Zeit, daß ich den Wagen verlasse und aufs Pferd steige. – Sonst werde ich noch den Hetman auf dem Gewissen haben, und daraus soll, solange ich lebe, nichts werden!«
»Nicht, dann nicht,« beruhigte ihn Zagloba. »Ich ziehe es vor, daß du aufrichtig zu mir bist, obgleich ich eher dein Onkel war als Radziwill dein Hetman. Weißt du eigentlich, Roch, was ein Onkel ist?«
»Ein Onkel ist eben ein Onkel.«
»Eine sehr präzise und geistreiche Erklärung. Die Heilige Schrift aber sagt: So du keinen Vater hast, so gehorche dem Onkel. Ein Onkel kann die gleiche Gewalt ausüben wie ein Vater, dem sich zu widersetzen doch eine große Sünde ist. Ich bin ja nicht der Bruder deiner Mutter; aber meine Großmutter war die Tante deiner Großmutter; alle Rechte deiner verstorbenen Verwandtschaft sind demnach auf mich übergegangen. Keine Macht, weder die des Hetmans noch die des Königs, kann meine vernichten, hörst du? – Was wahr ist, ist wahr. – Darf denn ein Großhetman auch nur dem geringsten Bauer befehlen, sich dem Vater, der Mutter oder gar der alten Großmutter zu widersetzen? – Antworte doch, Roch, darf er das?«
»Wa-as?« fragte Kowalski mit schläfriger Stimme.
»Der alten Großmutter frage ich dich? Wer würde dann Lust haben zu heiraten und Kinder zu kriegen, um Enkel zu erhoffen? – Antworte mir doch darauf, Roch!«
»Ich bin Kowalski, – das ist Pani Kowalska,« sagte Roch, schon fest schlafend.
»Wie du willst, kannst recht haben, 's wird auch besser sein, wenn du kinderlos stirbst, so werden sich weniger Dummköpfe auf der Welt 'rumtreiben! Nicht wahr, Roch?«
Zagloba neigte sich dicht an Kowalskis Ohr, aber er hörte keine Antwort mehr.
Pan Roch schlief wie ein Toter.
»Schläft,« brummte Zagloba. – »Warte mal, ich werde dir den eisernen Topf vom Kopfe nehmen; der ist unbequem beim Schlafen. Und dein Mantel würgt dich ja am Halse, behüte Gott, das Blut wird dir noch zu Kopfe steigen. Ein schöner Verwandter wäre ich, wenn ich nicht für dich sorgte!«
Auch im Wagen waren inzwischen alle fest eingeschlafen, die Soldaten nickten auf ihren Sätteln. Die Nacht wurde immer dunkler.
Einige Minuten verstrichen; dann sah der Soldat, der des Offiziers Pferd hinter dem Wagen herführte, Kowalski mit Mantel und Helm, ohne anhalten zu lassen vom Wagen springen. Er brachte das Pferd dem Offizier, der sich stillschweigend in den Sattel schwang.
»Pan Kommandant, wollen wir Rast machen?« fragte der Wachtmeister.
Pan Roch antwortete mit keinem Tone. Er setzte sich in Bewegung, ritt an allen Soldaten vorbei und verschwand in der Dunkelheit. Die Dragoner hörten plötzlich die Hufschläge eines sich schnell entfernenden Pferdes.
»Der Kommandant ist vorausgeritten, wird sich wohl nach einer Schenke in der Nähe umsehen,« sagte der Wachtmeister. »Es wird auch wirklich Zeit, daß die Pferde etwas Ruhe haben.«
Es verging eine halbe Stunde, eine Stunde, zwei, und Pan Kowalski war noch immer nicht zurückgekehrt. Die Wagenpferde waren schon sehr ermattet und gingen nur langsam vorwärts.
»Reit vor, dem Kommandanten entgegen und sage ihm, daß die Pferde sich kaum noch schleppen,« befahl der Wachtmeister einem Soldaten.
Der Dragoner ritt vor, kehrte aber nach einer Stunde allein zurück.
»Vom Kommandanten ist keine Spur; er muß sehr weit vorausgeritten sein.«
Die Soldaten fingen an unzufrieden zu brummen.
»Hier in der Nähe,« fuhr der
Weitere Kostenlose Bücher