Sintflut
natürlich gleich in Haft nehmen, und die Fahne hatte ich über mir tragen lassen, um bei einer Begegnung die Schweden zu täuschen.«
»Wie Sie das alles so weise überlegt haben!« sagte Oskierka.
»Ein wahrer Salomo,« fügte Stankiewicz hinzu.
Pan Zagloba fühlte sich wie im siebenten Himmel.
»Doch wir müssen jetzt endlich besprechen, was wir beginnen wollen,« sagte er. »Wenn ihr mir geduldig zuhören wollt, so werde ich euch sagen, was ich mir unterwegs zurechtgelegt habe. Gleich Radziwill anzugreifen, davon rate ich ab; denn er ist ein Hecht, und wir sind doch nur Barsche. Sollte er uns durch Zufall in seine Hände kriegen, so wartet unser eine solche Rache, daß alle Elstern Litauens ein rundes Jahr darüber schwatzen werden. – Seht nur, was in dem Briefe stand, den Kowalski für den schwedischen Kommandanten von Birze mit sich führte. – Ihr werdet den Pan Wojewod von Wilna kennen lernen, falls ihr ihn bisher noch nicht recht kanntet!«
Zagloba holte den Brief heraus und gab ihn Mirski.
»Eh! der ist ja deutsch oder schwedisch geschrieben,« sagte der alte Oberst. »Wer von euch kann das lesen?«
Nur Stanislaus Skrzetuski verstand deutsch zu lesen, aber auch nur Gedrucktes.
»Nun, das ist ja auch gleich,« sagte Zagloba, »ich werde euch die Hauptsache erzählen. In Upita ließ ich mir einen Juden an den Peiß herbeischleppen und befahl ihm, mir den Brief vorzulesen. Die Sache ist die: Der Hetman beauftragt den Kommandanten von Birze, den Konvoi wieder zurückzuschicken und uns der Reihe nach, ohne Aufsehen zu machen, zu Nutzen Seiner Majestät des schwedischen Königs zu erschießen.« –
Die Obersten waren alle sprachlos und schlugen vor Erstaunen die Hände zusammen; Mirski allein war ruhig und sagte:
»Ich habe mich schon genug darüber gewundert, daß er uns lebend aus Kiejdane herausgelassen hat. Er hatte sicherlich seine besonderen Gründe, daß er uns dort nicht zum Tode verurteilte.«
»Wahrscheinlich fürchtete er die öffentliche Meinung!«
»Vielleicht, doch wie die Sache auch sein mag; er ist wirklich ein ganzer Mann! Es ist noch nicht solange her, daß ich ihm das Leben rettete!« rief der kleine Ritter.
»Und ich habe unter seinem Vater und ihm fünfunddreißig Jahre gedient,« sagte Stankiewicz.
»Ein schrecklicher Mensch,« fügte Stanislaus Skrzetuski hinzu.
»Diesem schrecklichen Menschen also wollen wir nicht in den Rachen kriechen,« fuhr Zagloba fort. »Wir wollen einem Kampfe mit ihm aus dem Wege gehen und dafür alle seine Güter, die wir unterwegs treffen, verwüsten. Wir gehen gerades Weges zum Witebsker Wojewoden und stellen uns unter seine Führung und seinen Schutz. Überall, wo wir Radziwills Güter plündern können, tun wir es und bringen alles dem Wojewoden Sapieha mit, der wird es gut gebrauchen können.«
»Der Rat ist gut, ich wüßte keinen besseren,« stimmte Oskierka bei.
»Einverstanden,« sprach Stankiewicz.
»Ich auch,« pflichtete Pan Michail bei. »Auf zum Witebsker Wojewoden! Möge er uns der Führer sein, um den wir Gott baten!«
Einige Zeit lang ritten die Ritter schweigend ihres Weges. Plötzlich begann der kleine Ritter, sich ganz unruhig auf seinem Sattel umherzudrehen.
»Und wenn wir auf Schweden stoßen, werden wir mit ihnen kämpfen oder nicht?« fragte er unschlüssig die alten Kameraden.
»Sicherlich,« antwortete Stankiewicz. »Radziwill hat den Schweden wahrscheinlich die Versicherung gegeben, daß er ganz Litauen in seinen Händen habe, und daß alle bereit seien, Jan-Kasimir zu verlassen. Es wäre doch nicht so übel, durch einen Kampf zu beweisen, daß dem nicht so ist.«
»Ganz richtig,« erklärte auch Mirski. »Es wäre jedoch ratsam, uns nicht weit von Kiejdane ein wenig aufzuhalten, damit wir möglichst viele Leute um uns sammeln. Vermutlich werden vereinzelte Soldaten von meinem Banner und von Stankiewicz sich uns anschließen.«
Mirski hatte mit seiner Annahme recht, und ebenso wie Pan Rochs Dragoner gingen viele von Radziwills Soldaten zu unseren Rittern über.
Am Flusse Laweczy machten die Ritter Halt, um der Mannschaft etwas Ruhe zu gönnen.
Als es dunkelte, drang der Schall einer fernen Glocke an die Ohren der Soldaten.
»Was ist das?« fragte Zagloba. »Für die Abendglocke ist es doch schon zu spät.«
Pan Wolodyjowski lauschte aufmerksam.
»Dort läutet man Sturm,« sagte er ruhig.
Pan Michail gab dem Trompeter ein Zeichen, und bald störten leise Trompetentöne die Stille des Waldes. Das Banner
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