Sintflut
Befehl, Sie nach Birze zu bringen.«
»Geh, red' du mal mit ihm,« sagte Mirski zu Oskierka, eine hoffnungslose Bewegung machend.
»Sehen Sie, wir wollen, daß Sie den Hetman verlassen und mit uns gehen, begreifen Sie das nicht?« sagte Oskierka ungeduldig.
»Ja, aber reden Sie, was Sie wollen, daraus wird nichts. – Ich bin ein einfacher Mann und verstehe mich nicht auf Ihre Feinheiten. Ich weiß nur, daß ich zu gehorchen habe, und damit basta!«
»Nun, so tun Sie, was Sie wollen!« sagte Mirski.
»Es ist schon nicht richtig, daß ich befahl umzukehren,« fuhr Pan Roch fort, »aber jener Schlachtschitz hat mir ganz den Kopf verwirrt. Und das will ein Verwandter sein; nicht mal ein Fremder hätte mir so etwas zugefügt, ein schöner Verwandter! Er hat Gott nicht im Herzen. Nimmt mir mein Pferd weg und bringt mich um die fürstliche Gnade. Und trotzalledem werden Sie nach Birze müssen, und nachher mag kommen, was will. – Marsch, kehrt um, nach Birze, Rindviecher ihr,« rief Kowalski den Dragonern zu.
Sie kehrten wieder um. Pan Roch befahl einem Soldaten, sich in den Wagen zu setzen; er selbst bestieg dessen Pferd und ritt neben dem Wagen her. Von Zeit zu Zeit wiederholte er klagend:
»Ein Verwandter, – und hat mir solch eine Suppe eingebrockt!«
Die Gefangenen konnten sich trotz der Gefahr ihrer Lage nicht des Lachens enthalten. Endlich erbarmte sich Wolodyjowski des unglücklichen Offiziers:
»Beruhigen Sie sich, Pan Kowalski, dieser Mann hat noch ganz andere als Sie an der Nase herumgeführt. Er hat selbst einen Chmielnicki betölpelt!«
Kowalski antwortete nicht; er ritt schweigend aus der Nähe des Wagens, weil er weiteren Spötteleien aus dem Wege gehen wollte. Er war so niedergeschlagen, daß es einem leid tat, ihn anzusehen.
In allen Dörfern, durch die die Gefangenen durchritten, herrschte Unruhe. Augenscheinlich hatte sich die Nachricht vom Übergange des Hetmans schon über ganz Litauen verbreitet. Ein großer Teil der Bevölkerung verließ die Häuser und floh mit Weib und Kindern in die naheliegenden Wälder. Die breite Straße, die nach Mitau führte, war dicht von den Kaleschen der Schlachta besetzt. Die Schlachtschitzen eilten, ihre Frauen und Kinder nach Kurland in sicheren Schutz zu bringen.
»Halt!« erscholl plötzlich die gebieterische Stimme Pan Rochs.
»Was ist los?« fragten die Soldaten.
»Halt!«
Der Wagen hielt an. Bei den Strahlen der aufgehenden Sonne erkannte man in der Ferne dichte Wolken Staubes.
»Das sind Soldaten!« rief Wolodyjowski aus. »Ich sehe die Sonnenstrahlen auf den Spitzen der Lanzen spielen.«
»Wahrscheinlich eine schwedische Abteilung.«
»Das ist Reiterei, das sind die unsrigen!«
»Die unsrigen! Die unsrigen!« wiederholten die Dragoner.
»Formiert euch!« donnerte Rochs Stimme.
Die Dragoner umzingelten den Wagen; Pan Wolodyjowskis Augen fingen an, Funken zu sprühen.
»Das sind meine Laudaer mit Zagloba, – anders kann es gar nicht sein.«
Inzwischen näherten sich die Soldaten im Trab. Endlich zerstreute ein leichter Windstoß die Staubwolken, und vor den Augen Pan Rochs erschien ein ganzes Regiment. In der ersten Reihe unter einer Roßschweiffahne ritt der Feldherr mit dem Kommandostabe in der Hand. Kaum hatte Wolodyjowski ihn gesehen, als er ausrief:
»Zagloba! Bei Gott, das ist Pan Zagloba!«
Das finstere Gesicht Pan Skrzetuskis klärte sich auf.
»Wirklich, der unter der Fahne, das ist er. Er hat sich selbst zu einem Hetman befördert. – Schon an dieser Idee kann man ihn erkennen. Er ist unverwüstlich in seinen Einfällen und wird es auch bis zum Tode bleiben.«
»Gott schenke ihm noch lange Gesundheit!« sagte Oskierka, dann rief er laut: »Pan Kowalski, Ihr Verwandter ist gekommen, Sie zu besuchen!«
Aber Pan Roch hörte nichts; er war ganz mit seinen Dragonern beschäftigt. Und man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, er war durchaus nicht eingeschüchtert, als er sich mit einer Handvoll Leuten einem ganzen feindlichen Regimente gegenübersah. Die Laudaer wollten augenscheinlich die Sache friedlich beilegen; sie begannen mit Tüchern zu schwenken und zu schreien:
»Halt! Halt!«
»Vorwärts!« kommandierte Pan Roch. »Gebt Feuer!«
Kein einziger Dragoner gab einen Schuß ab.
Pan Roch war sprachlos; dann aber stürzte er auf seine Dragoner zu.
»Gebt Feuer! Nichtsnutzige!« brüllte er und warf mit einem Faustschlage den zunächst stehenden Soldaten vom Pferde. Die anderen wichen unwillkürlich zurück; aber
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