Sintflut
öffnen, er wird es tun.«
»Sieh mal an,« rief Zagloba, der mit der größten Aufmerksamkeit zuhörte. »Also ein charakterfester Mensch ist er?«
»Seine Charakterfestigkeit fällt mit seiner Dummheit zusammen. Übrigens, wenn er in seinen Freistunden nicht gerade ißt, so schläft er. Sie werden es kaum glauben, einmal hat er im Zeughaus achtundvierzig Stunden hintereinander geschlafen, und als man ihn dann von der Matratze herunterzog, schimpfte er noch.«
»Dieser Offizier gefällt mir ungemein,« sagte Zagloba; dann rief er in gebieterischem Tone Kowalski zu: »Komm mal her!«
»Was wollen Sie?« fragte Kowalski und wandte sein Pferd um.
»Hast du Schnaps da?«
»Ja, hab' ich da!«
»So gib ihn her!«
»Was heißt das, gib ihn her?«
»Sieh mal, guter Pan Kowalski, wenn es verboten wäre, so hättest du den Befehl bekommen. Da du solchen Befehl nicht erhalten hast, so kannst du ihn ruhig hergeben.«
»Ach,« staunte Roch, »das ist möglich! – Soll ich wirklich?«
»Soll oder nicht, denk nur einmal selbst nach! Darf man denn einem alten Verwandten eine Bitte abschlagen, der, wenn er deine Mutter geheiratet hätte, dein Vater sein könnte?«
»Was seid Ihr denn für ein Verwandter von mir?«
»Höre, es gibt zwei Geschlechter Kowalski. Die einen führen im Wappen einen Ziegenbock mit hochgehobenem Hinterfuß; die anderen ein Schiff (polnisch: Korab), auf dem ihre Vorfahren aus England das Meer durchkreuzten, als sie nach Polen auswanderten. Diese letzteren sind durch meine Großmutter mit mir verwandt. In meinem Wappen selbst ist ein Korab.«
»Mein Gott, so sind Sie wirklich ein Verwandter.«
»Bist du denn ein Korab?«
»Gewiß, ein Korab.«
»Also mein eigen Blut, wahrhaftig, Blut von meinem Blut!« rief Zagloba aus. »Gut, daß wir uns begegnen; denn ich bin absichtlich nach Litauen gekommen, um die Kowalskis mal zu sehen. Obschon ich jetzt in Gefangenschaft bin und du in Freiheit, so möchte ich dich doch gern umarmen. – Eigen Blut bleibt doch mal eigen Blut.«
»Was kann ich für euch tun? Man hat mir befohlen, euch nach Birze zu bringen, und ich werde euch hinbringen. Blut bleibt Blut, und Dienst bleibt Dienst.«
»Nenn' mich man Onkel,« sagte Zagloba.
»Hier hast du Schnaps, Onkel, das hat man mir nicht verboten.«
Zagloba nahm die Feldflasche und tat einen ordentlichen Zug; es wurde ihm angenehm warm zumute und schön klar im Kopfe.
»Steig vom Pferde herunter,« sagte er zu Pan Roch, »und setze dich ein bißchen zu mir in den Wagen, wir wollen uns unterhalten. Ich möchte dich über deine Familie viel ausfragen. Den Dienst achte ich wohl, aber das ist dir doch nicht verboten.«
Kowalski überlegte einen Augenblick, aber dann stieg er ab und setzte sich zu Zagloba auf den Wagen. Der alte Schlachtschitz umarmte ihn herzlich.
»Nun, wie geht es deinem Alten? – Wie heißt er doch gleich? Ich habe seinen Namen vergessen.«
»Auch Roch, wie ich.«
»Ach, richtig, ja. – Roch zeugte Roch, nach Gottes Gebot. Du mußt deinen Sohn auch Roch nennen. Bist du eigentlich verheiratet oder nicht?«
»Natürlich bin ich verheiratet. Ich bin Kowalski, und das ist Pani Kowalska. – Eine andere will ich auch nicht.« Der Offizier erhob den Griff seines Dragonersäbels bis zu Zaglobas Gesicht und wiederholte: »Eine andere will ich nicht.«
»Ein braver Kerl bist du, du gefällst mir ausnehmend. Roch, Sohn Rochs. Für einen Soldaten ist es auch besser, sich keine andere Frau anzuschaffen als diese. Ich prophezeie dir: eher wirst du Witwer werden, als sie Witwe. Du bist ein tapferer, kluger Mensch; es ist wirklich schade, wenn so ein Geschlecht ausstirbt.«
»Oho,« sagte Kowalski selbstgefällig. »Wir sind sechs Brüder.«
»Bravo! Trinken wir noch eins!«
»Schön!«
Zagloba führte wieder die Flasche an die Lippen, den Rest gab er dem Offizier. »Trink man aus, bis auf den Grund. – Schade, daß ich dich gar nicht sehen kann! Die Nacht ist so dunkel, daß man die eigene Hand nicht vor Augen sieht. – Hör' mal, Pan Roch, wohin gingen die Truppen von Kiejdane, als wir wegfuhren?«
»Sie zogen gegen die Rebellen.«
»Nun, das ist noch nicht ausgemacht, wer ein Rebell ist, du oder sie?«
»Ich, ein Rebell! – Ich tue, was mir der Hetman befiehlt.«
»Der Hetman tut aber nicht, was ihm der König befiehlt; der hat ihm nicht befohlen, mit den Schweden gemeinsame Sache zu machen. – Würdest du es nicht vorziehen, gegen die Schweden zu kämpfen, als mich, deinen alten Onkel,
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