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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Billewicze nicht mehr aufschieben. Es war dem Pan Andreas nicht ganz Wohl zumute, als er sich an der Spitze von fünfzig Dragonern auf den Weg machte. Eine nicht zu bekämpfende Unruhe und das Gefühl, einer gewissen Niederlage entgegenzufahren, beschlich ihn. Er wußte, daß man ihn dort nicht freundlich empfangen würde und zitterte vor dem Gedanken, daß der Schlachtschitz ihn durch seinen Widerstand zwingen würde, seine Zuflucht zu Gewaltmaßregeln zu nehmen.
    Er war fest entschlossen, dem Miecznik zuerst nur gut zuzureden und ihn zu bitten und nichts unversucht zu lassen, damit er freiwillig nach Kiejdane mitkomme. Um seiner Ankunft das Aussehen eines bewaffneten Überfalles zu nehmen, ließ er seine Dragoner in einer unweit von Billewicze gelegenen Schenke zurück und ritt, nur von einem Wachtmeister und einem Diener begleitet, vor das Herrenhaus. Eine bereit gehaltene Kalesche sollte ihm langsam folgen.
    Die Sonne war schon merklich im Sinken, und in dem klaren Blau des Himmels schwammen vereinzelt kleine rosige Wölkchen, als Kmicic klopfenden Herzens durch das Dorf ritt. Gleich am Ende des Dorfes stand das Gutshaus, das alte Nest der Billewicz', hinter dem sich große und mit alten Bäumen bewachsene Gärten ausdehnten.
    Kmicic mäßigte seinen Schritt und betrachtete gedankenvoll die sich vor ihm erhebenden Gebäude. Dem Herrenhaus, das aus vom Alter tief schwarz gewordenen Fichtenstämmen erbaut war, schlossen sich zwei sehr lange Seitenflügel an, in denen sich die Zimmer für die Gäste, die Küchen, Wohnräume der Dienerschaft, Speicher und Pferdeställe befanden. Die Front des Hauptgebäudes zierte eine Veranda, die mit dem Wappen der Billewicz' geschmückt war, das auffälligerweise nicht in der Mitte, sondern an einer Seite angebracht war.
    Kmicic ritt zögernd durch das weit geöffnete Tor. Mitten auf dem Hofe wuchsen zwei Linden, in denen Störche ihre Nester gebaut hatten. An der einen Linde lag ein Bär angekettet. An der Einfahrt zum Hofe stand ein Kruzifix, und zwei Brunnen an den Seiten des Hofes vervollständigten das Bild der Wohnstätte eines wohlhabenden Schlachtschitzen. Die Hunde, die sich im Hofe umhertrieben, begannen bei der Ankunft des Fremden zu bellen, und mehrere Diener stürzten herbei, um die Pferde in Empfang zu nehmen.
    Gleichzeitig erschien in der Tür des Herrenhauses eine weibliche Gestalt. Kmicic erkannte sogleich Panna Alexandra, – sein Herz begann stark zu klopfen. Er warf einem Diener die Zügel zu und ging, in der einen Hand den Säbel, in der anderen seine Mütze haltend, auf das Haus zu.
    Panna Alexandra, die mit der Hand ihre Augen vor den blendenden Strahlen der sinkenden Sonne schützte, stand einen Augenblick still, dann, wie entsetzt durch den Anblick des nahenden Gastes, verschwand sie plötzlich.
    »Schlimm,« dachte Kmicic, »sie flieht mich!«
    Ein Gefühl der Bitterkeit und Enttäuschung stieg in ihm auf; tief im Innern hatte er doch gehofft, daß sie ihn mit vor Freude glänzenden Augen und geröteten Wangen empfangen werde.
    Anstatt Panna Alexandra trat ihm der Miecznik mit unruhigem und finsterem Gesicht entgegen.
    Kmicic verbeugte sich tief.
    »Schon längst wollte ich Ihnen meine Ehrfurcht bezeugen; aber bei den jetzigen unruhigen Zeiten wird es einem beim besten Willen schwer, eine freie Minute zu finden.«
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie gekommen sind. Bitte, treten Sie hier ein,« antwortete der Miecznik und fuhr mit der Hand durch sein Haar, eine Bewegung, die er nur in Augenblicken der Unzufriedenheit und Verlegenheit machte.
    Kmicic wollte zuerst nicht näher treten, aber schließlich mußte er doch nachgeben.
    Es entstand ein Augenblick verlegenen Schweigens. Pan Andreas begann stark das Unangenehme seiner Lage zu fühlen. Der Pan Miecznik aber fuhr fort, mit der Hand sein Haar zu glätten.
    »Würden Sie nicht ein Glas Met trinken?« fragte er endlich und zeigte auf einen gefüllten Krug und mehrere bereit stehende Gläser. »Ich bitte sehr!«
    »Mit Vergnügen, Pan Miecznik,« antwortete Kmicic.
    »Wie steht es bei Ihnen in Kiejdane?« erkundigte sich der Miecznik aus Höflichkeit. »Wie geht es dem Pan Hetman?«
    »Nicht sehr gut,« antwortete Kmicic. »Wie sollte das auch anders sein, bei diesen unruhigen Zeiten. – Der Fürst hat viel Gram und Kummer. Nachdem er sich der Beihilfe Seiner Majestät des schwedischen Königs versichert hatte, hoffte er gemeinsam gegen den Feind ziehen zu können, um den Brand von Wilna zu rächen.

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