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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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lieber, anstatt nach unseren Rechten zu forschen. Wenn Sie was zu Ihrer Verteidigung zu sagen haben, so beeilen Sie sich. Wie ich gehört habe, hat diese Panna Sie schon einmal aus den Händen Wolodyjowskis freigebeten. Aber nach allem, was Sie darauf getan haben, wird auch sie sich Ihrer nicht mehr erbarmen.«
    Unwillkürlich richteten alle ihre Blicke auf Alexandra, deren Gesicht kalt und bleich, wie aus Marmor gemeißelt war. Sie stand unbeweglich, mit gesenkten Augen und sagte kein einziges Wort.
    Einen Augenblick herrschte tiefe Stille; plötzlich hörte man Kmicic' Stimme:
    »Ich bitte diese Panna, nicht für mich einzutreten!«
    Panna Alexandra schwieg.
    »Hierher!« rief Wolodyjowski.
    Im Flur erschollen schwere Schritte und Waffengerassel. Sechs Soldaten, Juzwa Butrym an ihrer Spitze, betraten das Zimmer.
    »Nehmt ihn,« kommandierte Wolodyjowski, »führt ihn aufs Feld und erschießt ihn!«
    Die schwere Hand Butryms legte sich auf Kmicic' Kragen.
    »Ich dulde es nicht, daß man mich wie einen Hund führt,« sagte Pan Andreas zu Wolodyjowski, »ich gehe von selbst.«
    Der kleine Ritter machte eine Handbewegung. Butrym gab den Gefangenen frei; die Soldaten umstellten ihn. Pan Andreas ging ruhig, ohne jemand anzublicken, hinaus.
    Panna Alexandra schlich durch eine kleine Seitentür in die nebenliegenden Gemächer. Sie durchschritt im Dunkeln mehrere Zimmer. Plötzlich begann sich ihr im Kopfe alles zu drehen, sie rang vergeblich nach Luft und fiel zu Boden. Im ersten Zimmer herrschte mehrere Minuten dumpfes Schweigen, endlich begann zögernd der Miecznik:
    »Und gibt es für ihn wirklich keine Gnade?«
    »Er selbst hat viele Leute aus meinem Banner erschossen,« sagte Mirski.
    »Und aus dem meinigen auch,« fügte Stankiewicz hinzu. »Und Niewiarowskis Leute hat er bis auf den letzten Mann niedergemetzelt.«
    »Er tat doch aber alles dies auf Befehl Radziwills,« mischte sich Zagloba ein.
    »Panowie, an mir wird Radziwill diese Tat rächen,« sprach der Miecznik.
    »Sie müssen sogleich fliehen, Pan Miecznik. Verbergen Sie sich in der Bialowiczer Heide beim Hofjägermeister, einem Verwandten von Skrzetuski,« antwortete Wolodyjowski.
    »Pan Michail,« unterbrach ihn plötzlich Zagloba, »ich will schnell hinlaufen und nachsehen, ob der Ärmste keine fürstlichen Befehle bei sich hat. Denken Sie daran, was für ein Schreiben ich bei Roch Kowalski fand.«
    »Steigen Sie schnell auf ein Pferd, Jetzt ist es noch nicht zu spät. Nachher werden die Papiere mit Blut besudelt sein. Ich habe ihn absichtlich auf das Feld führen lassen, damit die Panna nicht die Schüsse zu hören braucht.«
    Zagloba ging hinaus, und Pan Wolodyjowski wandte sich an den Miecznik:
    »Wo aber ist Ihre Verwandte?«
    »Sie betet wahrscheinlich für die Seele dieses Armen, der bald vor Gottes Richterstuhl stehen wird.« –
    »Er ist unzweifelhaft schuldig und hat seine Hinrichtung wohl verdient,« sagte Stanislaus Skrzetuski.
    »Wie groß sein Verbrechen ist, können Sie daran ermessen,« fügte Oskierka hinzu, »daß selbst die Panna, die erst seine Braut war, kein Wort zu seiner Verteidigung fand.«
    »Ich habe es ihr wohl angemerkt, wie sie gelitten hat. – Wie sollte sie aber für einen Verräter Partei nehmen?«
    »Schon gut, schon gut,« rief der kleine Ritter. »Wir wollen uns nur ein wenig ausruhen, und dann weiter fahren.«
    »Ja, es ist wahr,« entgegnete der Miecznik, indem er das Zimmer verließ.
    Nach einigen Augenblicken hörten die Ritter einen markerschütternden Ruf. Sie eilten hinzu und fanden den Miecznik neben Alexandra, die besinnungslos am Erdboden lag. Die Dienerschaft stürzte mit Kerzen in den Händen herbei. – Wolodyjowski und der Miecznik hoben die Panna auf und betteten sie auf ein Sofa. Bald gelang es den Bemühungen der beiden, Alexandra ins Leben zurückzurufen; sie schlug die Augen auf.
    »Für die Herren ist hier nichts mehr zu tun,« sagte die alte Haushälterin. »Gehen Sie ruhig in ein anderes Zimmer, ich werde schon selbst alles weitere besorgen.«
    »O Gott, was gäbe ich darum, wenn dieses alles nicht geschehen wäre!« wiederholte der Hausherr ganz außer sich. »Sie hätten den Unglücklichen mitnehmen und ihr Urteil unterwegs vollziehen sollen. – Wie soll ich jetzt die weite Reise mit dem Mädchen machen? Sie wird mir vielleicht noch krank werden.«
    »Was geschehen ist, ist jetzt nicht mehr zu ändern,« sagte Wolodyjowski ernst, »die Panna kann die von Kmicic mitgebrachte, bequeme Kalesche

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