Sintflut
Sie wissen ja, Wilna ist jetzt eine Ruine: siebzehn Tage hat dort die Feuersbrunst gewütet. Doch die Rebellen haben ihn daran gehindert. Anstatt mit dem Fürsten vereint gegen den Feind zu ziehen, haben sie ihn in seinen edlen Bestrebungen gehindert. Kein Wunder, wenn die Gesundheit des Pan Hetman leidet. In seinen besten Freunden sah er sich getäuscht. Diejenigen, auf die er am meisten gerechnet hatte, haben ihn verlassen, – oder sind gar auf die Seite der Feinde übergegangen.«
»Ja – ja,« sagte gewichtig der Miecznik.
»Das ist alles sehr traurig,« fuhr Kmicic fort. »Der Fürst hat auch Sie, Pan Miecznik, für den er eine besondere Ehrfurcht hegt, in Verdacht, daß Sie sich zu seinen Feinden zählen. Hätte der Fürst Zeit, er wäre gerne jetzt selbst zu Ihnen gekommen.«
»Zuviel Ehre!« erwiderte der Miecznik.
»Oh! sagen Sie das nicht! Nachbarn besuchen sich doch gern gegenseitig. Aber der Fürst hat keine freie Minute, daher gab er mir den Auftrag hierher zu fahren: »Sage dem Pan Billewicz, daß ich selbst keine Zeit habe, ihn aufzusuchen und fordere ihn auf, auf jeden Fall mit seiner Nichte zu mir zu kommen, unverzüglich; denn morgen schon weiß ich nicht, wo ich sein werde.« Dies waren seine Worte. Und ich freue mich, daß ich Sie beide in guter Gesundheit angetroffen habe und Ihnen diese Einladung überbringen konnte. Panna Alexandra, die ich vorhin einen Augenblick sah, läßt sich gar nicht mehr blicken.«
»Ich fühle mich sehr geschmeichelt,« sagte der Miecznik, »aber, gleich hinkommen, das kann ich nicht. – Bitte, entschuldigen Sie mich beim Fürsten.«
»Wenn der Fürst auffordert, so darf man nicht ablehnen.«
»Sie wollen mich also zwingen?« fragte der Miecznik.
»Pan Miecznik,« begann Kmicic lebhaft, »ich möchte Ihnen gegenüber nicht Gewalt gebrauchen, ich bitte Sie gehorsamst, führen Sie den Willen des Fürsten aus! – Ich stehe im Dienste und habe den Befehl, Sie nach Kiejdane zu bringen. Aber solange ich noch hoffen kann, Sie durch Bitten dazu zu bewegen, will ich nicht aufhören zu bitten. – Ich schwöre Ihnen, daß Ihnen kein Haar dort gekrümmt wird. Der Fürst will Sie sprechen; er will, daß Sie sich in Kiejdane aufhalten. Sie wissen ja selbst, daß die Bauern in der Umgegend plündernd umherziehen; dort aber werden Sie sicher sein. Man wird Sie mit allen Ehren aufnehmen wie einen Gast und Freund, darauf gebe ich Ihnen mein Ritterwort.«
»Als Edelmann protestiere ich dagegen, das Recht steht auf meiner Seite. – Das ist die größte Vergewaltigung, das heißt, die Freiheiten und Privilegien des Adelstandes verletzen!« rief der Miecznik mit erhöhter Stimme.
»Niemand wird Sie zwingen, wenn Sie freiwillig kommen,« entgegnete Kmicic. »Sehen Sie, meine Dragoner habe ich vor dem Dorfe zurückgelassen und bin allein hierher gekommen, um Sie zu bitten, wie ein Nachbar den anderen. Der Fürst wird sich noch persönlich bei Ihnen entschuldigen.«
»Wie kann ich Ihnen glauben, wenn Sie die würdigsten Staatsbürger Litauens ins Gefängnis geworfen haben?«
Kmicic atmete erleichtert auf, augenscheinlich begann der Miecznik in seinem Entschluß schwankend zu werden.
»Pan Miecznik,« begann er fast heiter, »gute Nachbarn bedienen sich oft sanfter Gewalt, die freundschaftlichen Gefühlen entspringt. Wenn Sie zum Beispiel der Kalesche eines teuren Gastes die Räder abnehmen lassen, ist das keine Vergewaltigung. Und, hören Sie, selbst wenn ich gezwungen gewesen wäre, Sie gebunden nach Kiejdane zu transportieren, so wäre das alles nur in Ihrem eigenen Interesse geschehen. – Der Fürst will nichts als Ihre persönliche Sicherheit. Eine fürstliche Abordnung wird Ihr Hab und Gut hier hüten wie den eigenen Augapfel.«
Der Miecznik begann auf und ab zu gehen.
»Kann ich Ihren Worten glauben?«
Kmicic wollte antworten, als sich die Tür öffnete und Panna Alexandra ins Zimmer trat. Der junge Ritter sprang auf und wollte ihr entgegeneilen, aber ihr kaltes, abweisendes Gesicht fesselte ihn an seinen Platz. Er beschränkte sich darauf, sich schweigend tief zu verneigen.
»Wir sollen nach Kiejdane übersiedeln,« sagte der Miecznik. »Und wenn wir es nicht freiwillig tun, so hat dieser Ritter den Befehl, uns mit seinen Dragonern zu umzingeln und uns mit Gewalt fortzuführen.«
»Habe ich Ihnen nicht vorausgesagt, Onkel, daß man uns hier nicht in Ruhe lassen wird, und daß wir möglichst weit fort fliehen sollten? Aber freiwillig werden wir nicht das Haus des
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