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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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erblicken wie diejenigen der Reichen. Mein Herz ward ihnen wohlgesinnt um ihrer großen Schlichtheit willen, und ich konnte nicht unterlassen, die Kranken, die ich sah, zu heilen, Geschwüre zu öffnen und Augen, die ohne meinen Eingriff bald erblindet wären, zu behandeln. Ich verlangte dafür keine Geschenke, sondern tat es aus eigenem Antrieb.
    Aber warum ich dies alles tat und mich der Gefahr der Entdeckung aussetzte, kann ich nicht sagen. Vielleicht war mein Herz Mineas wegen weich gestimmt, die ich täglich sah und die nachts, wenn wir auf den nach Spreu und Dünger riechenden Lehmböden lagen, meine Seite mit ihrer Jugend wärmte. Vielleicht tat ich es ihretwegen, um die Götter durch gute Taten zu besänftigen. Aber es kann ebensogut sein, daß ich meine Heilkunst ausüben wollte, um nicht die Sicherheit meiner Hände und die Schärfe meiner Augen bei der Untersuchung von Krankheiten einzubüßen. Denn je länger ich gelebt habe, um so klarer habe ich erkannt, daß der Mensch alles, was er auch tun möge, aus vielen Gründen tut, von denen er oft selbst nichts weiß. Deshalb sind der Menschen Taten Staub unter meinen Füßen, weil ich nicht weiß, was sie damit bezweckt und gewollt haben.
    Auf unserer Wanderung hatten wir viele Mühseligkeiten auszustehen; meine Hände wurden hart, die Haut meiner Fußsohlen voll Schwielen und meine Augen blind vom Staub; doch wenn ich nachträglich an diese Wanderung auf den staubigen Straßen Babyloniens denke, so war sie trotz allem schön. Ich gäbe vieles, was ich auf Erden erlebt und besessen, dafür her, wenn ich noch einmal jung, unermüdlich und mit wachen Augen die Reise machen dürfte, wobei Minea mit Augen, die wie Mondschein auf dem Strom glänzten, an meiner Seite schritte. Der Tod folgte unserer Fährte wie ein Schatten, und er wäre uns nicht leicht geworden, wenn man uns erwischt und dem König ausgeliefert hätte. Aber, in jenen fernen Tagen dachte ich nicht an den Tod und fürchtete ihn nicht, obgleich mir das Leben teurer als je zuvor war, solange ich an Mineas Seite wandern und sie auf den Dreschböden tanzen sehen durfte, deren Lehm zur Bindung des Staubes mit Wasser bespritzt wurde. Über ihrer Anwesenheit vergaß ich die Schande und das Verbrechen meiner Jugend. Jeden Morgen, wenn mich das Blöken der Lämmlein und das Gebrüll der Rinder weckten und ich hinaustrat, um die Sonne aufgehen und wieder wie einen goldenen Nachen über den des Nachts blaugefegten Himmel segeln zu sehen, ward mir federleicht ums Herz.
    Schließlich gelangten wir ins Grenzland, das verheert und verbrannt vor uns lag. Hirten wiesen uns den Weg, weil sie uns für arme Leute hielten, und so kamen wir, ohne Steuern zahlen zu müssen, an den Wächtern der beiden Könige vorbei nach Mitani und nach Naharina. Erst als wir uns in einer großen Stadt befanden, wo die Menschen einander nicht kannten, besuchten wir die Basare und kauften uns neue Kleider, wuschen und kleideten uns standesgemäß und kehrten in der Herberge der Vornehmen ein. Da mein Gold zur Neige ging, blieb ich eine Zeitlang in dieser Stadt, um meinen Beruf auszuüben; ich heilte manchen Kranken, denn die Bewohner von Mitani waren immer noch neugierig und liebten alles Fremde. Auch Minea erweckte Aufmerksamkeit durch ihre Schönheit, und manch einer wünschte, sie mir abzukaufen. Kaptah erholte sich von den ausgestandenen Strapazen, nahm zu und traf zahlreiche Frauen, die ihm zum Dank für seine Erzählungen ihre Gunst erwiesen. Wenn er in den Freudenhäusern Wein genossen hatte, erzählte er von seinem eintägigen Erlebnis als König von Babylon, und die Leute lachten darüber, schlugen sich auf die Knie und meinten: »Einen solchen Schwindler haben wir noch nie gehört. Seine Zunge ist lang und glatt wie der Strom.«
    So verging die Zeit, bis Minea mir lange Blicke zuzuwerfen begann, Unruhe in ihren Augen flackerte und sie nachts wach lag und weinte. Schließlich sagte ich zu ihr: »Ich weiß, daß du dich nach deiner Heimat und deinem Gott sehnst, und vor uns liegt eine weite Reise. Dennoch muß ich aus Gründen, die ich dir nicht verraten darf, zuerst noch einen Abstecher in das Land Chatti, wo die Hetiter wohnen, unternehmen. Ich habe mich bei Kaufleuten und Reisenden und in den Herbergen erkundigt und viele einander widersprechende Auskünfte erhalten, die darauf schließen lassen, daß man auch von dort nach Kreta segeln kann. Da ich dessen aber nicht ganz sicher bin, bringe ich dich, falls du es wünschest,

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