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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Dörfer an diesen Wegen sind einfach und armselig, und die Reisenden sehen wenig bebauten Boden. Wenn aber jemand vom vorgeschriebenen Weg abweicht, wird er gefangengenommen, seiner Waren beraubt und zum Sklavendienst in die Bergwerke geschleppt.
    Denn der Reichtum der Hetiter stammt, glaube ich, aus den Gruben, wo ihre Gefangenen und Sklaven Frondienste leisten und wo außer Gold und Kupfer noch ein anderes unbekanntes Erz gewonnen wird, das grau und blau schimmert und härter als alle anderen Metalle und so kostbar ist, daß es in Babylonien zur Herstellung von Schmuck verwendet wird, während die Hetiter ihre Waffen daraus schmieden. Auf welche Art man aber dieses Metall schmieden und formen kann, weiß ich nicht; denn in keinem anderen Lande bringt man es fertig. Auch schmilzt es nicht in der Hitze, bei welcher das Kupfer flüssig wird. Davon habe ich mich selbst überzeugt. Außer den Gruben besitzen die Hetiter zwischen den Bergen fruchtbare Täler mit klaren Bächen; sie pflanzen Obstbäume, von denen ganze Wälder die Hänge bedecken, und in den Küstengegenden bauen sie Wein. Der größte für jedermann sichtbare Reichtum liegt in den Viehherden.
    Wenn man von den großen Weltstädten spricht, zählt man Theben und Babylon und zuweilen auch Ninive auf, wo ich allerdings nicht gewesen bin. Aber ich habe niemals Chattuschasch, die Hauptstadt der Hetiter und den Sitz ihrer Macht, nennen hören, die wie der Horst des Adlers mitten in seinem Jagdrevier hoch in den Bergen liegt. Trotzdem ist diese Großstadt mit Theben und Babylon vergleichbar. Beim Gedanken an ihre schreckenerregenden, aus behauenen Steinblöcken aufgeführten, berghohen Bauten und an ihre Mauern, die stärker und unbezwingbarer als alle anderen Bollwerke sind, die ich je gesehen, muß ich sagen, daß ich diese Stadt für das größte Wunder halte, das ich je geschaut, und daß ich niemals derartiges erwartet habe. Das Geheimnis dieser Stadt hängt damit zusammen, daß ihr König sie für alle Fremden mit Ausnahme der Gesandten der Herrscher abgeschlossen hat; diese allein dürfen sie betreten und ihm begegnen und Geschenke bringen; doch auch sie werden während ihres Aufenthaltes in Chattuschasch aufs strengste überwacht. Deshalb sprechen die Einwohner der Stadt nicht gerne mit Fremden, selbst wenn sie deren Sprache beherrschen. Richtet man aber eine Frage an sie, so antworten sie: »Ich verstehe nicht«, oder: »Ich weiß nicht« und blicken sich dabei scheu um in Furcht, daß jemand sie im Gespräch mit Fremden überraschen könnte. Trotzdem sind sie keineswegs ungefällig, sondern eher freundlich, bestaunen gerne die Kleidung der Fremden, falls diese schön ist, und folgen ihnen auf der Straße.
    Die Kleider ihrer eigenen Vornehmen und Staatsbeamten sind ebenso prachtvoll wie diejenigen der Fremden und der königlichen Gesandten; denn sie tragen farbige, mit Stickereien in Gold und Silber verzierte Gewänder, und diese Stickereien stellen oft die Mauerkrone und die Doppelaxt, die Wahrzeichen ihrer Götter, dar. Auf ihren Festkleidern entdeckt man auch oft das Bildnis einer beflügelten Sonne. An den Füßen tragen sie Stiefel aus weichem, farbigem Leder mit langen, aufwärts gebogenen Spitzen und auf dem Kopf hohe, spitze Hüte, und ihre weiten Ärmel hängen bis zum Boden, den auch die kunstvoll gefältelten Röcke streifen. Von den Bewohnern Syriens, Mitanis und Babyloniens unterscheiden sie sich dadurch, daß sie sich in der Art der Ägypter das Kinn und einige Vornehme sich sogar den Kopf rasieren und nur oben auf dem Schädel ein Haarbüschel stehen lassen, um es zu flechten. Sie haben breite, kräftig entwickelte Kinne und große, gebogene Raubvogelnasen. Die Regierungsmänner und die Reichen der Stadt sind beleibt und besitzen fettglänzende Gesichter; denn sie haben sich, ganz wie die Begüterten anderer Großstädte, an ein üppiges Leben gewöhnt.
    Im Gegensatz zu den zivilisierten Völkern halten sie keine Söldnertruppen; bei ihnen ist jedermann Soldat, und den Stand eines Mannes bestimmt sein Kriegerrang. Diejenigen, die sich einen Streitwagen halten können, sind die Vornehmsten, und deren Rang wird nicht von ihrer Herkunft, sondern von ihrer Geschicklichkeit im Waffengebrauch bestimmt. Deshalb versammeln sich auch sämtliche Männer unter Leitung ihrer Befehlshaber und Fürsten alljährlich zu Kampfübungen. Auch treibt Chattuschasch im Unterschied zu anderen Großstädten keinen Handel, sondern ist voll von Schmieden und

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