Sinuhe der Ägypter
Hals, und ihre Tränen rannen heiß darüber, als sie sprach:
»Sinuhe, mein Freund, falls du an meiner Rückkehr zweifelst, will ich mich dir nicht mehr verweigern; du magst mit mir tun, was du willst, wenn es dir Freude bereitet, obgleich ich auch nachher sterben müßte; denn in deinen Armen fürchte ich den Tod nicht, und alles ist bedeutungslos im Vergleich damit, daß mein Gott mich von dir trennt.«
Ich fragte sie: »Würde es dir Freude bereiten?«
Zögernd gab sie zur Antwort: »Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß mein Leib unruhig und untröstlich ist, sobald ich fern von dir bin. Ich weiß nur, daß meine Augen sich umnebeln und meine Knie schwach werden, sobald du mich berührst. Früher haßte ich mich deswegen und fürchtete deine Berührung, denn früher war alles klar in meinem Innern, und nichts trübte meine Freude. Ich war bloß stolz auf meine Kunst, auf die Geschmeidigkeit meines Leibes und auf meine Unberührtheit. Jetzt aber weiß ich, daß deine Berührung mir lieb ist, selbst wenn sie mir Schmerz bereitet. Trotzdem aber weiß ich nicht, ob du mir mit dem, was du mir tun möchtest, Freude bereiten würdest, und vielleicht wäre ich im Gegenteil nachher betrübt. Doch wenn es dir Freude macht, so zögere nicht, es zu tun; denn deine Freude ist meine Freude, und ich hege keinen höheren Wunsch, als dir Freude bereiten zu dürfen.« Da ließ ich sie aus meinen Armen los und berührte mit der Hand ihr Haar, ihre Augen, ihren Hals und sagte: »Es genügt mir, daß du so zu mir kommst, wie du damals warst, als wir zusammen auf den Wegen Babylons wanderten. Gib mir das goldene Band aus deinem Haar, ich bin damit zufrieden, und mehr begehre ich nicht von dir.«
Sie aber sah mich zweifelnd an, strich sich mit den Händen über die Lenden und sagte: »Vielleicht bin ich dir zu mager; du glaubst wohl, mein Leib könnte dich nicht ergötzen, und eine leichtfertigere Frau als ich wäre dir lieber. Aber wenn du willst, werde ich mich bemühen, so leichtfertig wie möglich zu sein und deine Begehren zu erfüllen, damit ich dich nicht enttäusche; denn ich möchte dir so viel Freude bereiten, wie ich nur kann.«
Ich lächelte sie an und strich mit den Händen über ihre glatten Schultern, indem ich sprach: »Minea, in meinen Augen ist keine Frau schöner als du, und keine könnte mir größere Freuden als du bereiten. Aber ich will dich nicht bloß zu meinem Ergötzen berühren; denn es würde dich selbst nicht ergötzen, weil du deines Gottes wegen unruhig bist. Aber ich weiß etwas anderes, was wir tun können und was uns beiden Freude machen wird. Laß uns nach der Sitte meines Landes einen Krug nehmen und ihn gemeinsam zerbrechen! Hernach sind wir Mann und Frau, obgleich ich dich noch nicht berühre und keine Priester als Zeugen amten und unsere Namen in das Buch des Tempels schreiben können. Ich werde Kaptah einen Krug holen lassen, damit wir zur Handlung schreiten.«
Ihre Augen weiteten sich und glänzten im Mondschein, sie klatschte in die Hände und lächelte vor Freude. Ich wollte nach Kaptah suchen, er aber saß auf dem Boden vor meiner Zimmertür, trocknete sich das nasse Gesicht mit dem Handrücken und brach bei meinem Anblick in lautes Schluchzen aus. »Was gibt es denn, Kaptah?« fragte ich. »Weshalb weinst du?«
Kaptah erklärte ohne Schamgefühl: »Herr, ich habe ein weiches Herz und habe mich des Weinens nicht enthalten können, als ich hörte, was ihr, du und dieses schmalhüftige Mädchen, in deinem Zimmer spracht. Noch nie habe ich etwas so Rührendes gehört.«
Zornig versetzte ich ihm einen Fußtritt und fragte: »Willst du damit sagen, daß du an der Tür gehorcht und unser ganzes Gespräch belauscht hast?«
Kaptah antwortete mit unschuldiger Miene: »Gerade das wollte ich sagen. Denn vor deiner Tür drängten sich andere Lauscher, die nichts bei dir zu tun hatten, sondern das Mädchen ausspionieren wollten. Deshalb jagte ich sie mit deinem Stock fort und setzte mich vor deine Tür, um über deine Ruhe zu wachen, weil ich annahm, du wolltest nicht mitten in einer so wichtigen Unterhaltung gestört werden. Aber während ich hier saß, konnte ich es nicht vermeiden, euer Gespräch mit anzuhören, und es war so schön, wenn auch kindisch, daß ich ganz einfach weinen mußte.«
Nach diesen Worten konnte ich ihm nicht länger grollen, sondern sagte: »Da du gelauscht hast, weißt du bereits, was ich wünsche. Beeile dich also, einen Krug zu holen!« Er aber machte Ausflüchte,
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