Sinuhe der Ägypter
sprach: »Übernimm den Befehl – möge das Blut des Volkes über deine dreckigen Hände fließen!« Hierauf wandte er sich endlich an mich und erklärte: »Sinuhe, mein Freund, nun bin ich frei, dir zu folgen, wohin du wünschest, und ich hoffe, du hast in deinem Hause eine Matte, auf der ich mein Untergestell ausstrecken kann, denn ich bin, bei Seth und allen Teufeln, schrecklich abgehetzt, und habe es satt, mich mit Verrückten herumzustreiten.« Dann legte er dem kleinen Hauptmann, dessen Kopf ihm nur bis zur Achsel reichte, die Hände auf die Schultern und fügte hinzu: »Betrachte ihn genau, Sinuhe, mein Freund, und präge dir den Anblick ins Gedächtnis ein, denn vor dir steht der Mann, in dessen Händen heute das Schicksal Thebens, ja vielleicht ganz Ägyptens ruht. Ihn hat der Pharao zu meinem Nachfolger erhoben, nachdem ich den Pharao offen für verrückt erklärte. Da du nun diesen Mann gesehen hast, ahnst du vermutlich, daß der Pharao mich vielleicht doch in Bälde wieder brauchen wird.« Er lachte lange und schlug mit den Händen auf die Knie, aber sein Lachen drückte keine Freude aus, sondern flößte mir Schrecken ein.
Der kleine Befehlshaber betrachtete ihn demütig mit vor Hitze hervorstehenden Augen, während der Schweiß ihm über Gesicht und Hals und zwischen den fetten Brustpolstern herunterlief. »Zürne mir nicht, Haremhab«, sagte er mit seiner Fistelstimme. »Du weißt, daß ich nicht nach deiner Befehlshaberpeitsche getrachtet habe, sondern den Frieden meines Gartens und meine Katzen mehr liebe als den Schlachtenlärm. Aber, wer bin ich, daß ich mich gegen die Befehle des Pharao auflehnen könnte? Auch hat er mir versichert, daß es keinen Kampf geben, sondern daß der falsche Gott seinem Wunsch gemäß ohne Blutvergießen fallen werde.«
»Er sagt, was er wünscht«, meinte Haremhab. »Sein Herz überholt seinen Verstand, wie ein Vogel an einer Schnecke vorbeifliegt, deshalb sind seine Worte ohne Bedeutung. Du aber mußt mit deinem eigenen Verstand denken und nur mit Maß und Überlegung Blut vergießen, wenn es sich auch um ägyptisches handelt. Bei meinem Falken, ich werde dich mit eigener Hand auspeitschen, falls du deinen Verstand in den Käfigen deiner Rassekatzen zurückgelassen hast, denn zur Zeit des früheren Pharao warst du, wie man mir gesagt hat, ein hervorragender Krieger, und aus diesem Grund hat dir der Pharao wahrscheinlich den unangenehmen Auftrag erteilt.«
Er klopfte dem neuen königlichen Befehlshaber so kräftig auf den Rücken, daß der kleine Mann keuchend nach Atem rang und ihm die Worte, die er noch hätte äußern wollen, im Halse steckenblieben. Haremhab eilte in einigen Sätzen auf Deck. Die Soldaten grüßten ihn stramm mit lächelnden Mienen und erhobenen Speeren. Er winkte mit der Hand und rief: »Lebt wohl! Folgt nun dem kleinen, dicken Rassekater, der von nun an kraft des königlichen Willens die Peitsche des Befehlshabers schwingt. Folgt ihm wie einem törichten Kind, und seht zu, daß er nicht vom Streitwagen fällt oder sich an seinem eigenen Messer verletzt.« Die Soldaten lachten und bejubelten und rühmten ihn. Er aber ward zornig, drohte ihnen mit den Fäusten und rief: »Ich rufe euch nicht ein Lebewohl zu, sondern auf baldiges Wiedersehen. Denn ich sehe den Eifer aus euren dreckigen Augen leuchten. Deshalb sage ich euch: Haltet die Tatzen im Zaum und gedenket meiner Weisungen, sonst wird euch bei meiner Rückkehr das Rückenfell in Striemen gegerbt.«
Er fragte mich, wo ich wohne, und teilte es dann dem Hauptmann der Wache mit, verbot diesem aber, seine Sachen in mein Haus zu senden, weil er sie an Bord des Kriegsschiffes sicherer verwahrt glaubte. Dann legte er mir wie in früheren Zeiten den Arm um den Hals und sagte seufzend: »Wahrlich, Sinuhe, wenn jemand heute abend einen ehrlichen Rausch verdient hat, so bin ich es.«
Ich entsann mich des »Krokodilschwanzes« und erzählte ihm davon, und er zeigte ein so offensichtliches Interesse an Kaptahs Schenke, daß ich es wagte, ihn für den Fall eines Aufstandes um eine Schutzwache für sie zu bitten. Er erteilte dem Hauptmann der Wache sofort einen entsprechenden Befehl, und der Offizier gehorchte ihm, als trüge Haremhab immer noch die Befehlspeitsche, und versprach, zuverlässige ältere Leute zur Bewachung der Schenke auszuwählen. So konnte ich Kaptah einen Dienst erweisen, ohne daß es mich etwas gekostet hätte.
Ich wußte bereits, daß es im »Krokodilschwanz« eine Menge kleiner
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