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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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sich im heißen Sonnenglast das goldene Haus des Pharao mit seinen Mauern und Gärten wie ein blauschimmernder und rotglühender Traum. Obgleich die Sommerhitze ihren höchsten Punkt erreicht hatte, war der Pharao nicht in seine Lustschlösser in das Untere Land übergesiedelt, sondern in Theben geblieben. Daher ahnten alle, daß etwas Ungewöhnliches geschehen werde, und die Herzen der Menschen waren voller Unruhe, so wie der Himmel sich vor einem nahenden Sandsturm verdüstert.
    Und niemand wunderte sich, als im Morgengrauen längs allen südlichen Straßen Soldaten ihren Einzug in Theben hielten. Mit staubbedeckten Schilden, kupferglänzenden Speerspitzen und gespannten Bogensehnen marschierten die schwarzen Truppen durch die Stadt und glotzten neugierig um sich, wobei das Weiß der weit aufgesperrten Augen schreckenerregend in den schweißglänzenden Gesichtern schimmerte. Sie folgten ihren barbarischen Feldzeichen in die leerstehenden Kriegerhäuser, wo alsbald Feuer aufflammten und Kochsteine erhitzt wurden, um in die großen Lehmtöpfe gelegt zu werden. Gleichzeitig traf die Flotte ein, und die Streitwagen und federgeschmückten Pferde der Hauptleute wurden aus den Frachtschiffen entladen; auch unter diesen Truppen gab es keine Ägypter, sondern sie bestanden zum größten Teil aus Negern des Südens und aus Schardanen der nordwestlichen Wüstengegenden. Sie besetzten die Stadt. Wachfeuer wurden an den Straßenecken angezündet und der Strom gesperrt. Im Lauf des Tages hörte in Werkstätten und Mühlen, in Handelshäusern und Lagern alle Arbeit auf. Die Kaufleute nahmen ihre Waren von der Straße herein und schlossen die Fensterluken, und die Wirte der Weinschenken und Freudenhäuser stellten eilends kräftige Kerle mit Knüppeln zum Schutze ihrer Häuser an. Die Leute zogen weiße Gewänder an, und aus allen, sowohl den reichen als den armen Stadtvierteln begannen sie in Scharen zum großen Ammontempel zu strömen, bis seine Höfe so gedrängt voll waren, daß eine Menge von ihnen außerhalb der Mauern bleiben mußte.
    Zu gleicher Zeit verbreitete sich die Kunde, daß der Atontempel während der Nacht geschändet und besudelt worden war. Ein verwesender Hundekadaver war auf dem Opferaltar gefunden worden, und ein Wächter lag mit von Ohr zu Ohr durchschnittenem Hals in seinem Blut. Als die Leute dies vernahmen, blickten sie verängstigt um sich. Manche von ihnen aber konnten ein geheimes schadenfrohes Lächeln nicht unterdrücken.
    »Läutere deine Werkzeuge, Herr«, riet mir Kaptah ernst. »Ich glaube, du wirst noch vor dem Abend viel zu tun und, wenn ich mich nicht irre, sogar Schädel zu öffnen haben.«
    Es ereignete sich jedoch bis zum Abend nichts Bemerkenswertes, außer daß betrunkene Negersoldaten einige Geschäfte plünderten und ein paar Frauen schändeten, doch wurden sie von den Wächtern ergriffen und vor dem Volke ausgepeitscht, was jedoch weder den ausgeplünderten Kaufleuten noch den geschändeten Frauen viel nützte. Ich erfuhr, Haremhab befinde sich an Bord des Kommandoschiffs, und begab mich in den Hafen, um ihn aufzusuchen, obwohl ich bezweifelte, vorgelassen zu werden.
    Die Wache hörte mich gelassen an und ging mich anmelden, um gleich darauf wiederzukehren und mich zu meinem Erstaunen in die Kabine des Befehlshabers an Bord zu bitten. So betrat ich zum erstenmal ein Kriegsschiff und blickte mit großer Neugier um mich, doch unterschied sich das Fahrzeug von anderen nur durch seine Bestückung und die Stärke seiner Besatzung, denn auch Handelsschiffe können einen vergoldeten Steven und bunte Segel haben.
    In dieser Umgebung sah ich Haremhab wieder. Er schien mir, mit seinen breiten Schultern und kraftvollen Armmuskeln, noch größer und erhabener als früher. In sein Gesicht aber hatten sich tiefe Furchen eingegraben, seine Augen waren blutunterlaufen, müde und schwermütig. Ich verneigte mich tief vor ihm und streckte die Hände in Kniehöhe, er aber lachte und rief mit bitterer Stimme: »Da bist du ja, mein Freund Sinuhe, du Sohn des Wildesels! Du kommst wahrhaftig zur richtigen Stunde.«
    Seiner Würde wegen umarmte er mich jedoch nicht, sondern wandte sich an einen kleinen dicken Hauptmann mit hervorstehenden Augen, der äußerst verdutzt und vor Hitze keuchend vor ihm stand. Haremhab reichte ihm seine goldene Befehlshaberpeitsche und sagte: »Nimm sie und trage die Verantwortung!« Er nahm seinen goldgestickten Befehlshaberkragen ab, legte ihn dem Fettwanst um den Hals und

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