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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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das Blut des Volkes zu schonen, und die Wagen verlangsamten ihre Fahrt, umringten in vorgeschriebener Reihenfolge die Sänfte des Pharao, gaben ihr das Geleit und schützten auch den Festzug und die Königsfamilie. Das Volk aber zerstreute sich erst, als es die königlichen Boote über den Strom zurückrudern sah. Dann brach es in Jubel aus, und dieser Jubel war noch schrecklicher als die Rufe des Zornes. Das Gesindel, das sich zu der Volksmenge gesellt hatte, stürmte nun die Häuser der Reichen, zertrümmerte und raubte alles, was es sah, bis die Soldaten mit ihren Speeren die Ordnung wiederherstellten und das Volk sich zerstreute, um sich nach Hause zu begeben. Es ward Abend, und die Raben senkten sich herab, um die Leichen auf der Widderstraße zu zerhacken.
    So geschah es, daß Pharao Echnaton zum erstenmal das rasende Volk von Angesicht zu Angesicht erblickte und seines Gottes wegen Blut fließen sah. Niemals vergaß er diesen Anblick, denn etwas war in ihm zerbrochen. Der Haß träufelte Gift in seine Liebe, und sein Glaubenseifer wuchs, so daß er bestimmte, daß ein jeder, der den Namen Ammons laut ausspreche oder Bilder und Gefäße mit seinem Namen versteckthalte, in die Gruben gesandt werde. Da aber die Menschen einander nicht verklagen wollten, dienten auch Diebe und Sklaven als Zeugen, und niemand war vor falschen Zeugen mehr sicher. So wurden viele redliche und tüchtige Männer als Sklaven in die Bergwerke und Steinbrüche geschickt, während gewissenlose Betrüger sich im Namen Atons ihrer Häuser und Werkstätten und Läden bemächtigten.
    Mit dieser Schilderung habe ich den Ereignissen vorgegriffen, doch soll sie als Erklärung für die späteren Geschehnisse dienen. Mich selbst ließ man noch in derselben Nacht eilends in das goldene Haus rufen, denn der Pharao hatte einen Anfall seiner Krankheit erlitten, und die Ärzte, die für sein Leben fürchteten, wollten die Verantwortung mit mir teilen, da er auch meinen Namen genannt und von mir gesprochen hatte. Viele Wassermaße lag er bewußtlos und wie ein Toter da, seine Glieder wurden kalt, und sein Pulsschlag setzte aus. Aber er kam wieder zu sich, nachdem er sich in dem Anfall Zunge und Lippen zerbissen hatte und das Blut aus seinem Munde strömte. Wieder bei Bewußtsein, schickte er die Ärzte aus dem Haus des Lebens dorthin zurück, weil er sie nicht vor Augen haben wollte. Nur mich behielt er zurück, und nachdem er sich erholt hatte, sagte er:
    »Rufet die Ruderer und lasset die roten Segel auf den Schiffen hissen, und ein jeder, der mein Freund ist, folge mir, denn ich begebe mich auf eine Reise, und mein Gesicht wird mich führen, bis ich ein Land finde, das keines Gottes und keines Menschen ist. Dieses Land werde ich Aton weihen und ihm dort eine Stadt bauen und nie mehr nach Theben zurückkehren.« Und weiterhin sprach er: »Das Verhalten der Bewohner Thebens gegen mich ist mir widerwärtiger als alles, was bisher geschehen, und ist widerlicher und erbärmlicher als alles, was meine Vorfahren je, sogar von Seiten fremder Völker, erlebt. Deshalb werde ich meinen Fuß nie mehr nach Theben setzen, sondern überlasse die Stadt ihrer eigenen Finsternis.«
    Seine Erregung war so groß, daß er sich, noch bevor er recht genesen, auf sein Schiff tragen ließ, und weder ich, sein Arzt, noch seine Ratgeber vermochten ihn daran zu hindern. Haremhab aber meinte: »So ist es am besten, denn damit hat die Bevölkerung Thebens ihren Willen und Echnaton den seinigen durchgesetzt. Beide Teile sind zufrieden, und der Friede kehrt wieder ins Land.«
    Sein Zustand war so umnebelt und sein Blick so flackernd, daß ich mich seinem Beschluß fügte, weil ich als Arzt dachte, es würde ihm guttun, den Aufenthalt zu wechseln und eine neue Umgebung und neue Menschen zu sehen, die ihn nicht haßten. Daher folgte ich dem Pharao auf seiner Reise stromabwärts. Bei der Wegfahrt war er so ungeduldig, daß er nicht einmal auf die königliche Familie wartete, sondern den andern voraussegelte. Haremhab ließ ihm das Geleit durch Kriegsschiffe geben, damit ihm nichts Schlimmes zustoße.
    So steuerte das Fahrzeug des Pharao mit roten Segeln stromabwärts, und hinter ihm versank Theben. Seine Mauern und Tempeldächer und goldenen Obeliskenspitzen tauchten am Horizont unter, und schließlich waren auch die drei Berggipfel, die ewigen Wächter Thebens, außer Sicht. Die Erinnerung an Theben aber verließ uns nicht, sondern folgte uns tagelang auf dem Strom; denn dieser

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