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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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zahlreichen Zwisten und wilden Prügeleien erzählt, in die du durch deine hitzige Natur in vielen Ländern geraten bis und aus denen dich bloß seine Beherrschung und Treue mit heilem Kopf gerettet haben. Aber vergiß bitte nicht, daß mein Vater unter seinem Sitz ein Tauende versteckt hält und niemand gestattet, die Ordnung in diesem Haus zu stören.«
    Aber als ich Kaptahs Namen vernahm und mir all die frechen Lügen vorstellte, die er Merit wahrscheinlich über mich und mein Leben in fremden Ländern aufgetischt hatte, schmolz mir das Herz vor Rührung, die Tränen stiegen mir in die Augen, und ich rief: »Wo ist Kaptah, mein früherer Sklave und Diener? Ich möchte ihn umarmen! Mein Herz hat ihn sehr vermißt, wenn sich das bei meiner Würde auch gar nicht schickt, da er ja bloß ein einstiger Sklave ist.«
    Meinen Eifer dämpfend, sprach Merit: »Ich merke, daß du tatsächlich nicht mehr gewöhnt bist, einen ›Krokodilschwanz‹ zu trinken, und sehe meinen Vater erzürnt zu uns herüberschielen und unter seinen Sitz greifen, weil du dich so laut benimmst. Kaptah aber kannst du erst heute abend treffen; denn seine Zeit wird von großen Abschlüssen auf der Getreidebörse und in den von den Getreidehändlern besuchten Weinschenken, wo ebenfalls bedeutende Geschäfte getätigt werden, in Anspruch genommen. Auch glaube ich, daß du dich mächtig wundern wirst, wenn du ihn zu sehen bekommst: er entsinnt sich kaum mehr, einst ein Sklave gewesen zu sein und deine Sandalen an einem Stock über der Schulter getragen zu haben. Deshalb ist es besser, wir machen erst zur Abkühlung einen Spaziergang, damit sich der ›Krokodilschwanz‹ aus deinem Kopf verflüchtigt, bevor Kaptah kommt. Auch wirst du sicherlich gern sehen, wie Theben sich während deiner Abwesenheit verändert hat; und schließlich können wir dabei ungestört miteinander plaudern.«
    Sie ging sich umkleiden, rieb sich das Gesicht mit kostbarer Salbe ein und schmückte sich mit Gold und Silber, so daß man sie nur an den Händen und Füßen von einer vornehmen Frau unterscheiden konnte, wiewohl nur wenige vornehme Frauen einen so klaren und offenen Blick und einen so stolzen Mund wie sie besaßen. Ich ließ uns von den Sklaven durch die Widderstraße tragen und sah, daß Theben nicht mehr wie früher war: die Blumenbeete waren zertreten, die Bäume streckten verstümmelte Äste von sich, und an verschiedenen Straßen war noch der Bau neuer Häuser an Stelle der durch die Feuersbrünste zerstörten im Gange. Wir beide aber saßen dicht nebeneinander in der Sänfte, und ich atmete den Duft ihrer Salben ein, der nach Theben roch und herber und berauschender war als die Düfte aller kostbaren Salben Achetatons. Ich hielt ihre Hand in der meinigen, und in meinem Herzen gab es keinen einzigen bösen Gedanken mehr. Mir war, als sei ich nach einer langen Reise heimgekehrt.
    So gelangten wir zum Tempel und sahen die schwarzen Vögel krächzend über dem verlassenen Gebäude kreisen; denn sie waren nicht mehr in die Berge zurückgekehrt, sondern hatten sich im Tempelbezirk zu Theben niedergelassen, weil dieses Gebiet verflucht und vom Volke mit Entsetzen gemieden war. Wir ließen den Tempel hinter uns, durchschritten die öden Vorhöfe und sahen nirgends Leute, außer vor dem Haus des Lebens und dem Haus des Todes, deren Übersiedlung zuviel Schwierigkeiten und Kosten verursacht haben würde. Aber Merit erzählte, daß die Menschen sogar das Haus des Lebens mieden und die meisten Ärzte daher zur Ausübung ihres Berufes in die Stadt gezogen seien, wo sie sich gegenseitig die Patienten abjagten. Wir lustwandelten auch im Tempelpark; aber seine Pfade waren mit Gras überwuchert, die Bäume abgehauen und ausgegraben, und aus dem heiligen See hatte man alle die uralten Fische mit Fanggabeln herausgestochen. Wenn wir in diesem Park, aus dem der Pharao eine öffentliche Anlage für das Volk und einen Spielplatz für die Kinder hatte machen wollen, überhaupt jemand sahen, so war es irgendein zerlumpter, scheuer, schmutziger Vagabund, der uns mit lauerndem Blick verfolgte.
    Merit sagte: »Das ist eine Stätte des Bösen, und mein Herz verkrampft sich vor Kälte, nachdem du mich hierhergebracht hast. Gewiß schützt dich das Kreuz Atons; aber ich würde es gerne sehen, daß du es von deinem Kragen entferntest! Jemand könnte mit Steinen nach dir werfen oder dir gar an einem einsamen Ort ein Messer in den Leib rennen, wenn er sieht, daß du dieses Kreuz trägst. Denn der

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