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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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auf dem Volke leben, wie die Flöhe im Fell eines Hundes. Vielleicht glaubt der Floh im Pelz des Hundes, er sei die Hauptsache, und der Hund lebe nur, um ihn zu erhalten. Vielleicht sind auch der Pharao und sein Aton nichts anderes als die Flöhe im Fell eines Hundes und bereiten ihrem »Hund« nur Ungemach; denn dieser könnte ohne Flöhe ebensogut, ja besser leben.
    So erwachte mein Herz wieder aus einem langen Schlummer und verwünschte die Stadt Achetaton; ich blickte mit neuen Augen um mich und sah, daß nichts um mich her gut war. Vielleicht aber hing dies alles damit zusammen, daß Ammons Zauber insgeheim ganz Ägypten beherrschte, daß sein Fluch mir Sand in die Augen streute und die Stadt der Himmelshöhe der einzige Ort in Ägypten war, wohin seine Macht sich nicht erstreckte. Was von alledem Wahrheit war, kann ich wirklich nicht sagen. Denn wie es Menschen gibt, die unveränderlich das gleiche denken und beim Anblick jeder Neuerung ihren Kopf gleich Schildkröten unter dem Panzer zurückziehen, so haben sich meine Gedanken im Gegenteil stets gewandelt, je nachdem ich Neues gesehen, gehört und verstanden. Und sogar manche mir unverständliche Erscheinung hat meinen Gedankengang beeinflußt.
    So erblickte ich die drei Berge am Himmelsrand, die drei ewigen Wächter Thebens, wieder. Das Tempeldach und die Mauern ragten vor meinen Augen auf, aber die Spitzen der Obelisken flammten nicht mehr wie Feuer im Sonnenschein, weil niemand sie neu vergoldet hatte. Doch war dieser Anblick meinem Herzen hold. Ich goß Wein aus meinem Becher in das Wasser des Nils, wie die Seeleute tun, wenn sie nach einer langen Reise heimkehren, wobei jene allerdings Bier statt Wein verwenden, weil ihr Kupfer nicht für Wein reicht und sie, falls sie nach langer Reise Wein erhalten, diesen lieber selbst austrinken. Ich sah die großen steinernen Kais von Theben wieder und spürte den Geruch aus dem Hafen, den Geruch von verschimmeltem Getreide und faulem Wasser, von Gewürzen und Kräutern und Pech, der meinem Herzen süß erschien.
    Aber als ich im Armenviertel des Hafens das frühere Haus des Kupferschmiedes wiedersah, dünkte es mich sehr klein und eng, und die Gasse davor war schmutzig und übelriechend und voll Fliegen. Nicht einmal die Sykomore auf dem Hof, die ich selbst gepflanzt hatte und die in meiner Abwesenheit in die Höhe geschossen war, vermochte mein Auge zu laben. So hatten mich der Reichtum und Überfluß von Achetaton verdorben. Ich schämte mich meiner selbst, und mein Herz war betrübt, weil ich mich nicht mehr meines Heims erfreuen konnte.
    Auch war Kaptah nicht zu Hause; nur meine Köchin Muti kam mir entgegen und sagte, als sie mich erblickte, mißmutig: »Gesegnet sei der Tag, der meinen Herrn nach Hause bringt! Aber die Zimmer sind nicht aufgeräumt, das Leinenzeug befindet sich in der Wäsche, und deine Ankunft bereitet mir viel Verdruß und große Mühe, obgleich ich im allgemeinen keine Freude vom Leben erwarte. Doch ich bin keineswegs erstaunt über dein plötzliches Auftauchen; denn so sind die Männer, und von den Männern ist noch nie etwas Gutes gekommen.«
    Ich besänftigte sie, erklärte, daß ich an Bord übernachten werde, und fragte nach Kaptah; sie aber fauchte die Treppen, die Büsche auf dem Hof und den Bratofen an und war über meine Rückkehr mächtig erzürnt, weil ich ihr in ihrem Alter noch Mühe verursachte. Deshalb ließ ich sie stehen und ließ mich zum »Krokodilschwanz« tragen, wo mir Merit an der Tür begegnete, mich aber in meinen vornehmen Kleidern und der Sänfte nicht erkannte. Sie fragte: »Hast du einen Sitz für heute abend bestellt? Wenn nicht, kann ich dich nicht einlassen.«
    Sie hatte ein wenig zugenommen, und ihre Backenknochen waren nicht mehr so eckig wie früher; ihre Augen aber waren sich gleichgeblieben, nur von etwas mehr Fältchen umgeben. Deshalb ward mir warm ums Herz, ich legte die Hand um ihre Lende und sprach: »Ich verstehe wohl, daß du dich nicht mehr an mich erinnerst, da du inzwischen wohl viele andere einsame und traurige Männer auf deiner Matte gewärmt hast. Aber ich glaube doch, in deinem Hause einen Sitz und einen Becher kühlen Weines zu erhalten, wenn ich auch nicht an deine Matte zu denken wage.«
    Sie stieß einen Ruf der Verwunderung aus und sagte: »Sinuhe, bist du’s?« Und weiterhin: »Gesegnet sei der Tag, der meinen Herrn nach Hause führt!« Sie legte ihre schönen kräftigen Hände auf meine Schultern, betrachtete mich forschend und

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