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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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nicht etwa, ich solle den kleinen, ungezogenen Jungen deiner Freundin an Bord meines Schiffes nehmen? Meine Ruhe wäre dahin, und ich müßte während der ganzen Reise zittern und aufpassen, daß er nicht ins Wasser fällt oder einem Krokodil den Arm in den Rachen steckt!«
    Merit betrachtete mich lächelnd; aber der Kummer verfinsterte den Grund ihrer Augen, und sie sagte: »Ich will dir gewiß keine Mühe bereiten, doch die Stromfahrt würde dem Jungen guttun! Ich trug ihn selbst in meinen Armen zur Beschneidung, weshalb ich, wie du wohl verstehst, ihm gegenüber Pflichten habe. Natürlich würde ich selbst mitkommen, um aufzupassen, daß er nicht ins Wasser fällt, und hätte somit einen triftigen Grund, dich auf deiner Reise zu begleiten. Aber ich unternehme natürlich nichts gegen deinen Willen, und darum wollen wir den Vorschlag vergessen.«
    Als ich das vernahm, jauchzte ich vor Freude, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte: »Wenn dem so ist, kannst du den ganzen Kindergarten des Tempels mitbringen! Wahrlich, dies ist ein großer Glückstag für mich! Ich bin ja so einfältig, daß ich nicht einmal von selbst auf den Gedanken verfallen wäre, du könntest mich nach Achetaton begleiten. Auch wird dein Ruf durch mich nicht gefährdet, wenn du ein Kind mitbringst und damit eine Ursache für die Stromfahrt hast.«
    »Eben darum, Sinuhe!« sagte sie und lächelte überlegen, wie Frauen über Dinge lächeln, welche die Männer nicht verstehen. »Eben darum wird mein Ruf nicht leiden, weil ich ein Kind mitbringe; und darin liegt meine Sicherheit. Du hast es gesagt. Wie dumm sind doch die Männer! Aber ich will es dir verzeihen!«
    Da ich Mehunefer sehr fürchtete, reisten wir überstürzt schon im Morgengrauen ab, als sich der Himmel vor dem Sonnenaufgang weiß färbte. Deshalb brachte Merit das Kind schlafend, in Decken eingehüllt, und seine Mutter war nicht dabei, obwohl ich gerne die Frau gesehen hätte, die es gewagt hatte, ihr Kind Thoth zu nennen; denn die Menschen getrauen sich selten, ihren Kindern Götternamen zu verleihen. Außerdem ist Thoth der Gott der Schreibkunst und alles menschlichen wie göttlichen Wissens, weshalb die Kühnheit dieser Frau um so größer war. Das Knäblein aber schlief, ohne das Gewicht seines Namens zu verspüren, den Schlaf der Unschuld im Schoße Merits und erwachte erst, als wir schon eine beträchtliche Strecke auf dem Strom gefahren waren, die Wächter Thebens außer Sicht gerieten und die Sonne golden und heiß über den Fluten leuchtete. Er war ein schöner, dicker und brauner Junge mit einer schwarzen, seidenweichen Stirnlocke, der gar keine Scheu vor mir empfand, sondern auf meinen Schoß kletterte, wo ich ihn willig hielt. Denn er war ein stilles Kind, das nicht strampelte und lärmte, sondern mich aus dunklen, gedankenvollen Augen anblickte, als brütete sein kleiner Kopf bereits über alle Rätsel des Daseins nach. Seiner Ruhe wegen gewann ich ihn sehr lieb, knüpfte ihm kleine Binsenboote, ließ ihn mit meinen Geräten spielen und an meinen verschiedenen Arzneien riechen; denn er hatte eine Vorliebe für ihren Geruch und steckte gerne seine Nase in alle Krüge.
    Die Anwesenheit des Knaben an Bord bereitete uns keinerlei Mühe: er fiel nicht ins Wasser, noch steckte er den Arm in den Rachen eines Krokodils, zerbrach auch keines meiner Schreibrohre. Unsere Reise war daher sonnig und glücklich; denn ich reiste in Gesellschaft Merits, die jede Nacht auf der Matte neben mir schlief, während der kleine Junge in unserer Nähe schlummerte. Ja, es war eine glückliche Reise, und ich werde mich bis an mein Lebensende an das Rauschen des Schilfs im Wind und an die Abende erinnern, wenn das Vieh zur Tränke ans Stromufer getrieben wurde. Zuweilen schwoll mein Herz vor Glück, wie eine überreife Frucht durch ihr Übermaß an Saft gesprengt wird, und ich sprach zu Merit:
    »Merit, Geliebte, laß uns zusammen den Krug zerbrechen, um für immer miteinander zu leben! Vielleicht wirst du mir einst einen Sohn wie den kleinen Thoth schenken. Gerade du könntest ein ebenso sanftes, stilles und braunes Kind gebären. Wahrlich, ich habe mich nie zuvor nach einem Kind gesehnt; aber jetzt, da meine Jugend vorbei und mein Blut von Leidenschaft geläutert ist, sehne ich mich beim Anblick des kleinen Thoth nach einem Kind von dir, Merit.«
    Sie aber legte mir die Hand auf den Mund, wandte das Gesicht von mir ab und sagte leise: »Sinuhe, laß die Torheiten! Du weißt ja, daß

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