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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Lehmtafeln anfertigen, die meinen Rang und meine Macht bestätigen; denn Aziru hegt große Achtung vor Lehmtafeln.«
    Während die Schreiber die Lehmtafeln schrieben, eilte ich in die Bildhauerwerkstatt meines Freundes Thotmes, und er erwies sich als mein Freund, der mich in der Not nicht verließ. Ich hatte ihn seit meiner Abreise nach Theben nicht mehr gesehen. Damals hatte sich ja Haremhab in Achetaton eingefunden, um die Erlaubnis des Pharao Echnaton zu erwirken, die noch in ägyptischer Hand befindlichen Teile Syriens zu verteidigen; nach jenem fruchtlosen Gespräch mit dem Pharao hatten wir gemeinsam meinen Freund Thotmes aufgesucht, um aus seinem guten Weinkeller Trost zu schöpfen und ihn an sein altes Versprechen zu erinnern, ein Standbild von Haremhab für seine Geburtsstadt Hetnetsut zu schaffen. Jetzt war das in braunen Sandstein nach den Regeln der neuen Kunst ausgehauene Werk fertig. Es wirkte äußerst lebendig und wurde der Gestalt Haremhabs gerecht, obschon Thotmes meines Erachtens die Dicke der Armmuskeln und die Breite der Brust übertrieben hatte, so daß der Dargestellte eher einem Ringer als einem königlichen Oberbefehlshaber und Reichshauptmann glich. Aber die moderne Kunst liebte es nun einmal, alles, was die Augen sahen, bis zur Häßlichkeit zu übersteigen, weil dies ihr Wahrheit bedeutet. Die alte Kunst hatte das Häßliche am Menschen verdeckt, seine Schwächen gemildert und ihn von der besten Seite gezeigt, während die neue Kunst am Menschen sogar das Häßlichste betonte, um nur ja die Wahrheit nicht zu vernachlässigen. Ich weiß zwar nicht, ob es besonders wahrhaft ist, die Häßlichkeit eines Menschen zu übertreiben; aber Thotmes glaubte es zu wissen, und ich wollte ihm nicht widersprechen, da er mein Freund war. Er wischte das Standbild mit einem feuchten Lappen ab, um zu zeigen, wie schön der Sandstein glänzte und wie gut seine Tönung der Hautfarbe Haremhabs entsprach; dann sagte er zu mir:
    »Ich denke, ich begleite dich auf deiner Reise bis nach Hetnetsut und nehme das Standbild mit, um dafür zu sorgen, daß ihm im Tempel ein Platz angewiesen wird, der dem Range Haremhabs und auch meinem Rang als Bildhauer entspricht. Wahrlich, Sinuhe, ich reise mit dir und lasse mir durch den Wind des Stromes die Weindämpfe Achetatons aus dem Gehirn vertreiben; denn meine Hände zittern unter dem Gewicht von Hammer und Meißel, und das Fieber zehrt an meinem Herzen.«
    Die Schreiber brachten die Lehmtafeln und das nötige Gold für die Reise mit dem Segen Pharao Echnatons; wir ließen das Standbild Haremhabs an Bord des königlichen Schiffes schaffen und segelten unverweilt stromabwärts. Meinen Diener aber hieß ich Mehunefer ausrichten, ich sei nach Syrien in den Krieg gezogen und dort umgekommen – was keine große Lüge war; denn ich fürchtete wahrlich, auf dieser Reise eines grausamen Todes zu sterben. Auch befahl ich meinem Diener, Mehunefer unter allen üblichen Ehrenbezeigungen und, wenn nötig, sogar mit Gewalt an Bord eines nach Theben fahrenden Schiffes zu geleiten. Denn, sagte ich, wenn ich allen Erwartungen zum Trotz wiederkehren und bei meiner Heimkunft Mehunefer in meinem Hause finden sollte, würde ich meine sämtlichen Diener und Sklaven auspeitschen, ihnen Ohren und Nasen abschneiden und sie für ihr ganzes Leben in die Bergwerke schicken lassen. Mein Diener blickte mir in die Augen und verstand, daß ich es ernst meinte. Deshalb erschrak er heftig und versprach, meinen Befehl auszuführen. So konnte ich erleichterten Herzens auf dem Schiff des Pharao mit Thotmes stromabwärts segeln, und da ich meinem sicheren Tod entgegenzufahren glaubte, sparten wir während dieser Reise nicht an Wein. Auch Thotmes behauptete, es sei nicht Sitte, mit dem Trinken zurückzuhalten, wenn man in den Krieg ziehe; und er wußte es bestimmt, weil er in einem Kriegerhaus geboren war.

Zwölftes Buch

DIE WASSERUHR MISST DIE ZEIT

    1

    In meiner Eigenschaft als Gesandter des Pharao wurde ich in Memphis von Haremhab mit großen Ehrbezeigungen empfangen. Er verneigte sich tief vor mir; denn in seiner Residenz hielten sich viele aus Syrien geflohene Beamte und vornehme Ägypter sowie Gesandte und Vertreter fremder, nicht in den Krieg verwickelter Staaten auf, und vor diesen mußte er den Pharao in meiner Person ehren. Doch kaum waren wir allein, begann Haremhab sich mit der goldenen Peitsche auf das Schienbein zu schlagen und fragte ungeduldig: »Was für ein schlechter Wind führt dich als

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