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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Aton zu preisen, und die Priester unterrichteten sie in der Wahrheit des Pharao. Doch hatte dies an und für sich nicht viel zu bedeuten; denn Theben war eine große Stadt, in der es keinen Platz gab, wohin die Neugier nicht zahlreiche Leute zu treiben vermocht hätte. Die Schwalbe flog vor mir her, ich folgte ihr mit den Blicken und betrachtete die in die Tempelmauern eingehauenen Bildnisse: von zehn Steinsäulen blickte das in seiner Leidenschaftlichkeit erschreckende Gesicht des Pharao Echnaton auf mich herab. Ich entdeckte auch ein nach den Regeln der neuen Kunst geschaffenes Bild, auf dem der große Pharao Amenophis alt und krank auf seinem Thron ruhte, das Haupt unter dem Gewicht der Doppel-Jcrone gebeugt, und neben ihm saß die Königin Teje. Ich fand Bildnisse der ganzen königlichen Familie. Vor einer Darstellung der Prinzessin Tadukhipa von Mitani, wie sie den Göttern Ägyptens Opfer darbrachte, blieb ich stehen. Die ursprüngliche Inschrift unter dem Bildwerk war weggehauen worden, und die neue behauptete, die Prinzessin bringe Aton Opfer dar, obgleich Aton zu ihren Lebzeiten in Theben noch gar nicht verehrt worden war.
    Dieses Bildnis war nach den Regeln der alten Kunst geschaffen und Tadukhipa als eine junge schöne Frau, fast noch als ein Mädchen geschildert; sie trug die königliche Kopfbedeckung, ihre Glieder waren zart und schlank und ihr Haupt klein und anmutig. Lange betrachtete ich das Bild, während die Schwalbe mir mit jubelndem Gezwitscher um den Kopf schwirrte, bis eine tiefe Erschütterung mein vom Denken und Wachen übermüdetes Gehirn ergriff und ich den Kopf senkte, um über das Schicksal dieses einsamen Mädchens aus fremdem Lande zu weinen. Ihretwegen hätte ich so schön wie sie sein wollen; meine Glieder aber waren dick und schlaff, mein Schädel unter der Arztperücke kahl, das Denken hatte meine Stirn gefurcht, und mein Gesicht war vom Wohlleben in Achetaton aufgedunsen. Nein, wenn ich mich mit ihr verglich, konnte ich mir nicht vorstellen, ihr Sohn zu sein! Dennoch war ich gerührt und weinte über ihre Einsamkeit in dem goldenen Haus des Pharao, während die Schwalbe immer noch mit freudigem Gezwitscher mein Haupt umkreiste. Ich dachte an die schmucken Gebäude und an die wehmütigen Menschen Mitanis, entsann mich auch der staubigen Straßen und lehmigen Dreschböden Babyloniens, und ich fühlte, daß meine Jugend unwiderruflich vorüber und meine Mannesjahre zu Achetaton in trägem Wasser und Schlamm versunken waren.
    So verging mir der Tag. Es ward Abend, ich kehrte in den Hafen zurück und begab mich in den »Krokodilschwanz«, um dort etwas zu essen und mich mit Merit auszusöhnen. Aber Merit empfing mich sehr ungnädig, behandelte mich wie einen Fremden, stellte das Essen vor mich hin, ohne sich zu mir zu setzen, und betrachtete mich kühl. Als ich zu Ende gegessen hatte, fragte sie: »Nun, hast du dein Liebchen getroffen?«
    Ich erklärte ihr gereizt, ich sei keineswegs Frauen nachgelaufen, sondern habe meinen Beruf im Haus des Lebens ausgeübt und dann den Atontempel besucht. Um ihr zu zeigen, wie beleidigt ich mich fühlte, schilderte ich genau jeden Schritt, den ich an diesem Tag gemacht hatte, sie aber fuhr fort, mich mit höhnischem Lächeln zu betrachten. Als ich zu Ende war, sagte sie:
    »Ich habe nicht angenommen, du seist zu Frauen gegangen; denn du hast dich ja bereits gestern abend erschöpft, und bei deiner Kahlköpfigkeit und Dickleibigkeit wärest du zu keiner weiteren Leistung fähig. Ich wollte nur sagen, daß deine Geliebte hier war, um dich zu besuchen, und daß ich sie in das Haus des Lebens wies.«
    Ich erhob mich so heftig, daß mein Sitz umkippte, und rief: »Was meinst du damit, verrücktes Weib?«
    Merit ordnete ihr Haar mit der Hand, lächelte spöttisch und sagte: »Wahrlich, deine Geliebte kam auf der Suche nach dir hierher. Sie war wie eine Braut gekleidet, mit gleißendem Schmuck behangen, wie ein Pavian geschminkt, und der Duft ihrer Salben war bis zum Strom hinunter zu riechen. Sie hinterließ dir einen Gruß und einen Brief – für den Fall, daß sie dich nicht sonstwo treffen sollte. Ich wünsche von Herzen, daß du sie ersuchst, sich von hier fernzuhalten; denn dies ist ein ehrbares Haus, sie aber benahm sich wie die Wirtin eines Freudenhauses.«
    Sie reichte mir einen unversiegelten Brief, den ich mit zitternden Händen öffnete. Beim Lesen stieg mir das Blut in den Kopf, und mein Herz begann gewaltig zu pochen. Denn Mehunefer schrieb

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