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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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mußten uns üben, mit Messer und Zahnstange umzugehen, vor allem aber sollten unsere Hände sich daran gewöhnen, die Krankheit eines Menschen aus seinen Körperhöhlungen oder durch Betasten seiner Haut herauszufühlen, und auch aus den Augen eines Menschen mußten wir sein Leiden erkennen. Wir sollten einer Frau bei der Entbindung beistehen können, wenn die Kunst der Hebamme versagte. Wir sollten, je nach Krankheitsfall, Schmerzen hervorrufen und Schmerzen stillen können. Wir mußten lernen, kleine von großen, seelische von körperlichen Leiden zu unterscheiden. Wir sollten lernen, in den Reden der Patienten das Wahre vom Unwahren zu unterscheiden und alle nötigen Fragen zu stellen, um ein klares Krankheitsbild zu erhalten.
    Man wird daher verstehen, daß ich, je weiter meine Studien fortschritten, immer klarer einsah, wie wenig ich im Grunde wußte. In der Tat dürfte ein Arzt erst dann ausgebildet sein, wenn er bescheiden sich selbst gesteht, nichts zu wissen. Doch darf er das dem Laien nicht verraten, denn das wichtigste von allem ist, daß der Patient an den Arzt glaubt und seiner Kunst vertraut. Das ist das Fundament, auf das sich die ganze Heilkunst aufbaut. Daher darf ein Arzt sich niemals eines Irrtums schuldig machen, denn ein Arzt, der nicht sicher ist, verliert seinen Ruf und schadet dem der anderen Ärzte. In den Häusern der Reichen, wo man in schweren Fällen zwei bis drei Ärzte zuzieht, geschieht es deshalb öfters, daß diese den Irrtum ihres Vorgängers lieber ins Grab tragen lassen, als daß sie ihn zur Schande der ganzen Ärzteschaft aufdeckten. Es heißt daher auch, daß die Ärzte sich gegenseitig ihre Patienten begraben helfen.
    Doch alles das wußte ich damals noch nicht, sondern ich betrat das Haus des Lebens voller Ehrfurcht, im Glauben, dort alle irdische Weisheit und Güte vorzufinden. Die ersten Wochen gestalteten sich schwer, denn der letztgekommene Schüler ist der Diener aller anderen, und keiner aus der ganzen Dienerschaft ist so niedrig, daß er nicht über ihm stünde und ihm befehlen könnte. Zuerst muß der Schüler Reinlichkeit lernen, und es gibt keine so schmutzige Beschäftigung, daß er sie nicht ausführen müßte; deshalb wird er krank vor Ekel, bis er schließlich abgehärtet ist. Aber bald genug weiß er sogar im Schlaf, daß ein Messer erst dann sauber ist, wenn es in Wasser und Lauge gekocht wurde.
    Doch alles, was zur Heilkunst gehört, ist bereits in anderen Büchern aufgezeichnet worden, und ich will mich daher nicht länger dabei aufhalten. Lieber berichte ich, was mich selbst betrifft, was ich selbst gesehen oder worüber andere nicht geschrieben haben.
    Nach einer langen Prüfungszeit kam endlich jener Moment, da andere, nachdem ich mich durch heilige Zeremonien gereinigt hatte, mir ein weißes Gewand anzogen, und ich in der Empfangshalle lernen durfte, starken Männern Zähne auszuziehen, Wunden zu verbinden, Geschwüre aufzustechen und gebrochene Glieder zu schienen. Zwar war mir das nichts Neues, und dank meines Vaters Lehren machte ich gute Fortschritte und durfte bald meinen Kameraden Anweisungen und Unterricht erteilen. Bisweilen erhielt ich sogar Geschenke wie ein richtiger Arzt, und ich ließ meinen Namen Sinuhe in den grünen Stein schneiden, den Nefernefernefer mir geschenkt hatte, um mein Siegel unter die Rezepte setzen zu können.
    Immer schwerere Aufgaben wurden mir anvertraut. Ich durfte in den Sälen wachen, wo die Unheilbaren lagen, und der Krankenpflege wie den Operationen berühmter Ärzte beiwohnen, Operationen, an denen zehn Patienten starben, während einer geheilt wurde. Ich lernte auch einsehen, daß der Tod für den Arzt nichts Schreckhaftes und für den Kranken oft ein barmherziger Freund ist, so daß eines Menschen Gesicht nach dem Tod oft glücklicher ist, als es in den armseligen Tagen seines Lebens war.
    Dennoch war ich blind und taub bis zum Tag des Erwachens, wie einst in meiner Kindheit, als die Bilder, Worte und Buchstaben in mir lebendig wurden. So kam auch jetzt der Augenblick, da sich meine Augen öffneten, ich wie aus einem Traum erwachte, meine Seele jubelte und ich mich fragte: »Warum?« Denn der erschreckende Schlüssel zu allem wahren Wissen ist die Frage: »Warum?« Sie ist stärker als das Rohr des Thtoh und besitzt mehr Kraft als eine in Stein gemeißelte Schrift.
    Also geschah es: Es war eine Frau, die kein Kind bekommen hatte, und die sich unfruchtbar glaubte, denn sie war bereits vierzig Jahre alt. Aber ihre

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