Sinuhe der Ägypter
Räucherwerk, Salben, Schönheitsmittel und rote Tüchter heranzuschleppen begannen.
Einem jeden war seine Aufgabe im voraus zugeteilt worden. Ich erinnerte mich der meinigen und holte aus dem Vorhof ein mit heiligem Wasser gefülltes Gefäß und heilige Tücher zum Waschen des Gesichtes, der Hände und der Füße des Gottes. Bei meiner Rückkehr aber sah ich den Priester Ammon ins Gesicht spucken, um es dann mit seinem fleckigen Ärmel abzuwischen. Darauf bemalten Moses und Nefru seine Lippen, Wangen und Augenbrauen. Metufer salbte ihn und schmierte alsdann lachend auch des Priesters öliges Gesicht wie sein eigenes mit dem heiligen Salböl ein. Schließlich wurde das Bildwerk entkleidet, gewaschen und getrocknet, als hätte es soeben seine Bedürfnisse verrichtet. Seine Geschlechtsteile wurden gesalbt, ein roter, in Falten gepreßter Rock wurde ihm angezogen, eine Schürze umgebunden und ein Achseltuch über seine Schultern gelegt, während seine Arme in die Ärmel gezwängt wurden.
Nachdem all dies geschehen war, sammelte der Priester die benützten Kleider und nahm die Tücher und das Waschwasser an sich, denn erstere wurden zerstückelt und zerteilt, im Vorhof an reiche Reisende verkauft, während das Wasser als Heilmittel an Kranke, die an Ausschlag litten, veräußert wurde. Wir waren frei und gingen auf den Hof in die Sonne hinaus, und ich erbrach mich.
Ebenso leer wie mein Magen waren mein Herz und mein Kopf, denn ich glaubte nicht mehr an die Götter. Doch als die Woche zu Ende gegangen war, wurde mein Haupt gesalbt, und ich wurde zum Priester Ammons geweiht, legte ein Priestergelübde ab und erhielt ein Zeugnis darüber. Das Zeugnis war mit dem Siegel des großen Ammontempels und mit meinem Namen versehen und berechtigte mich zum Eintritt in das Haus des Lebens.
So traten Moses, Bek und ich in das Haus des Lebens ein. Sein Tor tat sich uns auf, und auch mein Name wurde in das Buch des Lebens eingetragen, wie der Name meines Vaters Senmut vor mir und seines Vaters Name vor ihm eingetragen worden war. Ich aber ward fortan nicht mehr glücklich.
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Im Haus des Lebens im großen Ammontempel überwachten angeblich die königlichen Ärzte, ein jeder auf seinem besonderen Gebiet, den Unterricht. Doch bekamen wir sie nur selten zu sehen, denn ihr Patientenkreis war groß, und sie erhielten von den Reichen große Geschenke für ihre ärztlichen Hilfeleistungen und wohnten in vornehmen Häusern außerhalb der Stadt. Kam aber in das Haus des Lebens ein Patient, dessen Krankheit die gewöhnlichen Ärzte nicht erkannten oder dessen Heilung sie mit ihren Kenntnissen nicht zu übernehmen wagten, dann erschien ein königlicher Arzt und führte den Studenten seines Faches seine ganze Gewandtheit vor. So konnte auch der ärmste Kranke zur Ehre Ammons die Pflege eines königlichen Arztes genießen.
Denn von den Patienten im Haus des Lebens erhob man Gaben je nach ihren Vermögensverhältnissen, und obgleich viele von ihnen das Zeugnis eines städtischen Arztes mitbrachten, gemäß welchem kein gewöhnlicher Heilkünstler ihre Leiden zu heilen imstande sei, gelangten auch die Allerärmsten geradewegs in das Haus des Lebens, und von ihnen wurde kein Geschenk verlangt. Das alles war sehr schön und richtig, doch hätte ich auf keinen Fall ein mittelloser Kranker sein wollen, denn an ihnen übten die Unerfahrenen ihre Kunst, und die Schüler durften sie behandeln um zu lernen. Auch wurden keine schmerzstillenden Mittel an sie verschwendet, sondern sie mußten Zange, Messer und Feuer ohne Betäubung erdulden. Deshalb drangen oft Schmerzensrufe und Wehgeschrei aus den Vorhallen zum Haus des Lebens, wo die Allerärmsten empfangen wurden.
Das ärztliche Studium und die Praxis währten lange, auch für die begabten Schüler. Wir mußten die Lehre der Arzneien durchgehen und die Pflanzen kennenlernen, mußten lernen, sie zur rechten Zeit zu sammeln, zu trocknen und auszuziehen, denn ein Arzt muß bei Bedarf seine Heilmittel selbst zubereiten können. Ich und mancher mit mir murrten darüber, weil wir keinen Nutzen darin sehen konnten, nachdem man nur ein Rezept auszuschreiben brauchte, um aus dem Haus des Lebens alle bekannten Heilmittel fertig gemischt und abgewogen zu erhalten. Später aber sollte ich, wie ich noch erzählen werde, großen Nutzen von meinen Kenntnissen auf diesem Gebiet haben. Wir mußten die Namen aller Körperteile sowie die Aufgabe und Arbeitsweise der verschiedenen menschlichen Organe kennenlernen. Wir
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