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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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wurde in aller Eile geholt, um die Wunde des Pharao zu verbinden, die jedoch ungefährlich war und rasch heilte. So kam es, daß ich die beiden gefangenen Meuchelmörder sah: der Schädel des einen war rasiert, und sein Gesicht glänzte von heiligem Öl, während dem anderen einst wegen eines schimpflichen Verbrechens die Ohren abgeschnitten worden waren und er niemand mehr offen in die Augen sehen konnte. Aber noch während sie von den Wächtern mit Schilfseilen gebunden wurden, rissen sie wie Rasende an ihren Fesseln, stießen im Namen Ammons fürchterliche Flüche aus und schwiegen auch nicht, als die Wächter sie mit den blauen Schäften ihrer Speere über den Mund schlugen, so daß das Blut daraus strömte. Zweifellos waren sie von den Priestern verzaubert und spürten keinen Schmerz. Das war ein schreckliches Ereignis. Nie zuvor hatte man gehört, daß jemand aus der Mitte des Volkes gewagt hätte, die Hände gegen den Pharao zu erheben. Wohl mochte es vorgekommen sein, daß Pharaonen in früheren Zeiten in ihrem goldenen Haus eines unnatürlichen Todes starben; doch war dies niemals offen geschehen, sondern durch Gift oder eine dünne Schnur oder durch Ersticken mit einem Teppich, so daß keine Spuren blieben und alles vor dem Volk verheimlicht werden konnte. Ich hatte lange genug in dem goldenen Haus gelebt, um zu wissen, daß sich dergleichen zugetragen und vielleicht auch einmal einem Pharao gegen seinen Willen der Schädel geöffnet worden war. Aber nie hatte jemand am hellen Tag dem Pharao nach dem Leben getrachtet. Dieses Ereignis konnte nicht verleugnet werden, weil es zu viele Zeugen gab und Pharao Echnaton keinen von ihnen umbringen oder in die Gruben verschicken lassen wollte, um seine Zunge für immer zum Schweigen zu bringen.
    Nach diesem Geschehnis erklärten die Priester Amnions dem Volk und ihren Getreuen, daß es eine Gott wohlgefällige Tat sei, die Hand gegen den falschen Pharao zu erheben, und daß derjenige, der ihn umbrächte, das ewige Leben erlangen würde, selbst wenn sein Leib nicht einbalsamiert werden könnte. In ihren geheimen Reden verkündeten sie nämlich, daß Pharao Echnaton ein falscher Pharao sei, und deshalb dürfe ein jeder Hand an ihn legen. Gegen einen richtigen Pharao hätte natürlich niemand die Tat gewagt; denn ein solcher Mensch hätte, wie das Volk glaubte, für ewige Zeiten alle Qualen der Unterwelt im Rachen des Verschlingers erdulden müssen.
    Die beiden Gefangenen wurden in Anwesenheit des Pharao verhört, verweigerten aber jede Aussage. Doch brachte man in Erfahrung, daß sie aus Theben gekommen waren und sich am Abend zuvor im Park versteckt hatten. Allein der Name Theben verriet ihre Auftraggeber; aber sie gestanden nichts, sondern öffneten den Mund nur, um Ammon laut anzurufen und den Pharao zu verfluchen, bis die Wächter sie mit den Speerschäften ins Gesicht schlugen. Als Pharao Echnaton den Namen des verdammten Gottes vernahm, geriet er sogar in solche Erbitterung, daß er den Wächtern gestattete, die Gefangenen zu schlagen, bis ihre Gesichter aufs übelste zugerichtet waren und ihnen die Zähne aus dem Munde flogen. Die Mordgesellen aber weigerten sich immer noch zu sprechen und riefen bloß Ammon um Hilfe an, und der Pharao erlaubte nicht, daß man sie weiterquäle. Da riefen sie trotzig:
    »Laß uns peinigen, falscher Pharao! Laß unsere Glieder zerquetschen, unser Fleisch zerfetzen, unsere Haut verbrennen: wir spüren keinen Schmerz!«
    Ihre Verstocktheit war so schrecklich, daß der Pharao das Gesicht abwandte und mit seinem Herzen kämpfte. Und er gewann seine Beherrschung wieder und schämte sich sehr, daß er den Wächtern erlaubt hatte, die Gesichter der Gefangenen zu zerschlagen. Deshalb sagte er:
    »Laßt sie los, denn sie wissen nicht, was sie tun!«
    Aber als die Wächter die Schilfseile gelöst hatten und die Gefangenen befreit waren, fluchten diese noch ärger als zuvor, Schaum stand ihnen um den Mund, und sie riefen: »Laß uns töten, verfluchter Pharao! Um Ammons willen schenke uns den Tod, falscher Pharao, damit wir das ewige Leben erlangen!«
    Als sie einsahen, daß der Pharao sie ungestraft laufen lassen wollte, rissen sie sich aus den Händen der Wächter los und rannten mit dem Kopf so heftig gegen die Hofmauer, daß sie sich die Schädel zerschmetterten und kurz darauf verschieden. So groß war die geheime Macht Ammons über die Herzen der Menschen.
    Nach diesem Ereignis wußte jedermann in dem goldenen Haus, daß Pharao

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