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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Mauer war ungewöhnlich hoch – meines Erachtens viel zu hoch. Aus diesem Grund lachten die Soldaten Azirus noch mehr über mich, so daß ihr Gelächter hinter mir tönte wie das Dröhnen eines sturmgepeitschten Meeres beim Anprall an die Klippen.
    Wegen all dieser Vorfälle machte ich dem Befehlshaber der Garnison von Gaza scharfe Vorwürfe; aber er war ein barscher, starrsinniger Mann und behauptete, von Seiten der Syrier so viel Falschheit und Betrug ausgesetzt gewesen zu sein, daß er das Stadttor nur auf ausdrücklichen Befehl Haremhabs öffnen würde. Er glaubte mir auch nicht, daß der Friede geschlossen sei, obwohl ich ihm alle meine Lehmtafeln zeigte und im Namen des Pharao zu ihm sprach; denn er war ein einfacher, eigensinniger Mensch, ohne dessen Einfalt und Starrköpfigkeit Ägypten die Stadt Gaza sicherlich längst verloren hätte, weshalb ich keinen Grund besaß, ihm allzu harte Vorwürfe zu machen. Nachdem ich an der Mauer die zum Trocknen aufgehängten Häute gefangener Syrier gesehen, hielt ich es für das Beste, zu schweigen und ihn nicht zu reizen, hörte mit Tadeln auf, obgleich meine Würde sehr darunter gelitten, daß man mich an einem Schilfseil die Mauer emporgezogen hatte.
    Von Gaza segelte ich über das Meer nach Ägypten zurück. Für den Fall, daß wir feindlich gesinnten Seefahrern begegnen sollten, ließ ich den Wimpel des Pharao und alle Friedenswimpel am Mäste hissen, so daß mich die Seeleute tief verachteten und behaupteten, unser Schiff schaukle gleich einer Hure bemalt und aufgetakelt auf den Wellen. Als wir den Strom erreichten, versammelten sich die Menschen an den Ufern, schwenkten Palmzweige und priesen den Frieden. Mir selbst huldigten sie als dem Gesandten des Pharao, der ihnen den Frieden brachte – bis die Seeleute schließlich vergaßen, daß ich in einem Korb die Mauern von Gaza emporgehißt worden war, und mich wieder mit Ehrfurcht behandelten. Als wir nach Memphis kamen, sandte ich ihnen viele Krüge Wein und Bier, damit sie noch gewisser jenes unangenehme und für meine Würde schädliche Ereignis vergäßen.
    Haremhab las die Lehmtafeln und zollte mir großes Lob für meine Fähigkeit als Unterhändler. Darüber staunte ich sehr, weil es sonst nicht seine Art war, meine Handlungen zu loben, und er im Gegenteil meist unzufrieden mit mir war. Ich verstand ihn erst, als ich erfuhr, daß die Kriegsschiffe Kretas den Befehl erhalten hatten, nach Kreta zurückzusegeln. Dadurch wäre Gaza, wenn der Krieg weitergedauert hätte, binnen kurzem in Azirus Hände gefallen. Denn ohne Seeverbindung war die Stadt verloren, und es hätte sich für Haremhab nicht gelohnt, den Versuch zu machen, sie mit den Truppen auf dem Landweg zu erreichen, weil die Leute im Herbst in der Wüste verdurstet wären. Deshalb pries mich Haremhab so rückhaltlos und sandte eilends zahlreiche Schiff mit Truppen, Lebensmitteln und Waffen nach Gaza.
    Während meines Aufenthaltes bei Aziru hatte König Burnaburiasch von Babylonien auf dem Seeweg einen Gesandten mit Gefolge und vielen Geschenken nach Memphis geschickt. Ich nahm ihn mit auf das Schiff des Pharao, das mich in Memphis erwartete. Wir reisten zusammen stromaufwärts, und die Fahrt war uns beiden angenehm; denn er war ein ehrwürdiger Greis mit einem bis auf die Brust herabwallenden seidigen weißen Bart und besaß große Kenntnisse. Wir sprachen über Sterne und Schafsleber, und es fehlte uns nicht an Gesprächsstoff; denn über die Sterne und über die Leber des Schafes kann der Mensch sein Leben lang reden, ohne daß dieser umfangreiche Stoff erschöpft würde.
    Aber wir sprachen auch von politischen Angelegenheiten, und ich merkte, daß er große Furcht vor der wachsenden Macht der Hetiter hegte. Zwar behauptete er, die Priester Marduks hätten prophezeit, daß die Macht der Hetiter ihre Grenze erreichen und nicht einmal mehr hundert Jahre währen würde, und daß von Westen ein weißes Barbarenvolk auftauchen und sich über sie werfen und ihr Reich vernichten würde, als wäre es überhaupt nie dagewesen. Der Gedanke, daß das Reich der Hetiter in hundert Jahren verschwunden wäre, bedeutete jedoch nur einen geringen Trost für mich, der ich geboren war, zur Zeit seiner Macht zu leben. Ebenso fragte ich mich, wie wohl ein Volk aus dem Westen kommen könne, da es im Westen doch nur die Meeresinseln gab. Trotzdem mußte ich es glauben, weil die Sterne es vorausgesagt hatten und ich mit eigenen Augen und Ohren so viel Wunder in Babylon

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