Sinuhe der Ägypter
Echnaton seines Lebens nicht mehr sicher war. Seine Getreuen verstärkten daher die Bewachung und ließen ihn nicht mehr aus den Augen, obgleich er immer noch allein und ohne Gefolge in den Gärten und am Ufer lustwandeln wollte. Sicherlich vermeinte er auch oft, allein zu sein, während unsichtbare Augen jeden seiner Schritte bewachten. Diejenigen, die an Aton glaubten, wurden immer heftiger im Glauben, während diejenigen, die sich ihm angeschlossen hatten, um Reichtümer und hohe Ämter zu gewinnen, um ihre Stellung zu fürchten begannen und ihre Vorsicht im Dienst des Pharao vergrößerten. So nahm der Glaubenseifer in beiden Reichen zu, und die Menschen erhitzten sich ebensosehr Atons wie Ammons wegen, so daß Aton die Frau vom Mann, den Vater vom Sohn und den Bruder von der Schwester trennte.
Das zeigte sich zuerst in Theben, wo als Zeichen der glückbringenden Macht des Pharao zur dreißigjährigen Gedenkfeier die gleichen Festzüge und Zeremonien wie in Achetaton veranstaltet wurden. Körbe voll Goldsand und Straußenfedern wurden nach Theben gebracht, Panther wurden in Käfigen dorthingeschleppt und Giraffen den Strom entlangbefördert, kleine Meerkatzen und bunte Papageien folgten dem Zuge, damit das Volk die Macht und den Reichtum des Pharao sehe und ihn preise. Aber die Bevölkerung Thebens betrachtete schweigend und freudlos den Festzug, auf den Straßen kam es zu Prügeleien, das Kreuz Atons wurde seinen Trägern von den Kleidern gerissen, und einige Atonpriester, die sich ohne Bewachung unter die Menge gewagt hatten, wurden mit Keulen erschlagen.
Das schlimmste aber war, daß die Gesandten der ausländischen Mächte dem Zuge folgten, alles mitansahen und auch von dem Mordversuch gegen den Pharao erfuhren, da der Vorfall seines Starrsinns wegen nicht hatte vertuscht werden können. Ich glaube aber, daß der Gesandte Azirus bei seiner Rückkehr nach Syrien seinem Herrn allerlei angenehme Dinge zu berichten wußte. Außerdem nahm er eine Menge kostbarer Geschenke des Pharao an Aziru mit, und auch ich schickte durch ihn Gaben an Aziru und seine Familie. Seinem Sohn sandte ich eine kleine, aus Holz geschnitzte Armee mit schönbemalten Speerwerfern und Bogenschützen, Rossen und Streitwagen; die Hälfte der kriegerischen Holzfigürchen hatte ich als Hetiter und die andere Hälfte als Syrier schnitzen lassen, in der Hoffnung, er werde sie beim Spielen gegeneinander aufstellen. Solche Holzschnitzereien erhielt man billig, seitdem alle Ammontempel und Werkstätten geschlossen worden und ihre Holzschnitzer arbeitslos geworden waren. Jedenfalls war mein Geschenk für den Knaben geschickt angefertigt: die Augen der Soldaten waren aus schwarzem Basalt und die der Offiziere aus Edelsteinen, die Wagen der Hauptleute vergoldet und ihre kleinen Peitschen aus Gold und Silber; es war, wie ich glaube, ein königliches Geschenk, für das ich übrigens mehr bezahlte als für die Gaben an Aziru, weil der Sohn seinem Herzen näherstand als sein eigener Vorteil.
Pharao Echnaton litt in dieser Zeit schwer und kämpfte mit seinem Herzen. Viele Zweifel erschütterten seinen Glauben, und im Dunkel der Nacht klagte er zuweilen bitterlich, daß seine Gesichte erloschen seien und Aton ihn verlassen habe. Schließlich aber gelang es ihm, aus dem an ihm begangenen Mordversuch Kraft zu schöpfen, und er erhitzte sich selbst in dem Glauben, daß seine Aufgabe größer und sein Werk wichtiger denn je seien, da in Ägypten noch so viel Finsternis und Furcht herrschten. Er kostete das bittere Brot des Hasses und trank das salzige Wasser der Gehässigkeit: das Brot vermochte seinen Hunger nicht zu stillen und das Wasser seinen Durst nicht zu löschen; aber er bildete sich ein, aus Güte und Liebe zu handeln, wenn er die Ammonpriester härter als früher verfolgte und Leute, die den Namen Ammons laut aussprachen, bestrafen und in die Bergwerke verschicken ließ. Am meisten litten natürlich die einfachen und armen Leute unter der Verfolgung; denn die geheime Macht der Ammonpriester war groß, und die Wächter des Pharao wagten diese nicht anzurühren, sondern drückten ein Auge zu, sobald es um sie ging. Daher säte der Haß neuen Haß, und die Unruhe in Ägypten ward größer als zuvor.
Um seine Macht zu festigen, verheiratete Pharao Echnaton, der keinen Sohn besaß, seine beiden ältesten Töchter Meritaton und Anchesenaton mit Söhnen getreuer Edelleute an seinem Hof. Meritaton zerbrach den Krug mit einem Knaben namens Sekenre, der
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