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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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nach Theben segelte, beobachtete ich alles mit offenen Augen; in fruchtbaren Gebieten, wo der Boden gepflügt und besät und die Aussaat in den Schlamm gesetzt wurde, sah ich Sklaven und Diener mit schweißtriefender Stirn und von Peitschenhieben gezeichnetem Rücken, die über ihre Herren murrten und ihre Gebieter verfluchten. Und in meinem Herzen dünkte mich dieses Unrecht auch nicht besser als die ungepflegten Äcker Atons und die Disteln auf den fruchtbaren Feldern. Aber die Rastlosigkeit trieb mich vorwärts und beschleunigte meine Reise; der Schweiß troff meinen Ruderern von der Stirn, und sie zeigten mir vorwurfsvoll ihre geschwollenen, mit Blasen bedeckten Hände. Ich versuchte ihre Wunden durch Silber zu heilen und stillte ihren Durst durch Bier, weil ich gut sein wollte. Doch als sie mit verrenkten Hüften ruderten, hörte ich sie untereinander sprechen: »Warum sollen wir dieses fette Schwein rudern, wenn doch vor seinem Gott alle Menschen gleich sind? Er soll es nur einmal selbst versuchen, damit er weiß, wie das Rudern schmeckt! Möge seine Kehle austrocknen, mögen seine Hände schwellen: dann soll er versuchen, sie durch Silber zu heilen, wenn es ihm gelingt!«
    Der Stock an meiner Seite mahnte mich ungeduldig; aber mein Herz war voll Güte, weil ich mich auf dem Weg nach Theben befand. Deshalb sann ich über ihre Worte nach und verstand, daß sie die Wahrheit sprachen. Da ging ich zu ihnen und sagte: »Ruderer, gebt mir auch ein Ruder!« Alsdann stellte ich mich neben sie, und bald fühlte ich die Wirkung des harten Holzes der Ruder: meine Hände schwollen und bedeckten sich mit Blasen, die zu Wunden wurden, mein Rücken krümmte sich, jedes Glied brannte wie Feuer, das Atmen tat mir weh in der Brust, und ich glaubte, mein Rückgrat werde entzweibrechen. Aber ich sprach zu meinem Herzen: »Solltest du vielleicht die freiwillig übernommene Arbeit aufgeben, damit dich deine Sklaven verlachen und verhöhnen? Sie selbst müssen Tag für Tag viel mehr ertragen. Koste also ihren Schweiß und ihre geschwollenen Hände bis zum letzten aus, damit du wissest, was das Leben eines Ruderers ist! Du, Sinuhe, verlangtest für dich ja einst einen gefüllten Becher!« Deshalb ruderte ich, bis ich am Umsinken war und die Diener mich auf mein Lager tragen mußten.
    Am folgenden Tag ruderte ich von neuem mit hautlosen Händen, und die Ruderer lachten mich nicht länger aus, sondern ermahnten mich, aufzuhören, indem sie sagten: »Du bist unser Herr, und wir sind deine Sklaven. Rudere nicht mehr, sonst wird uns der Boden zur Decke und wir gehen mit den Füßen nach oben. Wahrlich, höre auf mit dem Rudern, unser guter Herr, Sinuhe, damit du nicht das Leben aushauchst! Schließlich muß es in allem eine Ordnung geben! Jeder Mensch hat seinen von den Göttern bestimmten Platz, und der deinige ist sicher nicht bei der Ruderstange.«
    Ich aber blieb bis Theben neben ihnen am Ruder; meine Nahrung bestand aus ihrem Brot und ihrer Grütze, mein Trank war das herbe Bier der Sklaven, mit jedem Tag vermochte ich länger zu rudern, wurden meine Glieder geschmeidiger und freute ich mich mehr des Lebens, als ich merkte, daß mir die Anstrengung nicht mehr den Atem raubte. Meine Diener aber waren um mich besorgt und sagten zueinander: »Gewiß hat ein Skorpion unsern Herrn gestochen, oder er ist verrückt geworden, wie alle es in Achetaton werden, weil der Wahnsinn ansteckend wirkt, wenn man kein schützendes Amulett um den Hals trägt. Wir fürchten uns aber nicht vor ihm, denn wir tragen das Horn Ammons unter den Kleidern verborgen.« Ich war jedoch keineswegs verrückt und hatte auch nicht die Absicht, weiter als bis Theben zu rudern oder gar für mein Leben Ruderer zu werden; denn dieser Beruf war für mich zu anstrengend.
    Auf diese Weise gelangten wir nach Theben, und schon weit draußen auf dem Strom strömte uns der Duft Thebens entgegen. Einen süßeren gibt es nicht für den, der dort geboren ward; denn er findet ihn köstlicher als Myrrhe. Ich hieß meine Diener mir die Hände mit heilenden Salben einreiben, mich waschen und mir die besten Kleider anziehen. Das Lendentuch war mir zu groß geworden; denn vom Rudern war ein Teil meines Bauches weggeschmolzen, so daß mir die Diener das Tuch mit Nadeln um die Hüften befestigen mußten, und sie klagten und meinten: »Unser Herr ist krank! Er hat seinen Bauch verloren, der das Zeichen der Vornehmheit ist. Wir müssen uns vor den Dienern anderer vornehmer Leute schämen, weil

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