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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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sehenden Auge und sagte: »Die Käufer behaupten, im Unteren Lande habe man eine neue Art erfunden, Fische in Salz und Wasser aufzubewahren; aber ich habe mich erkundigt und weiß, daß die Krüge nach Syrien gehen. Große Ladungen Krüge sind in Tanis gelöscht worden und werden von dort durch Karawanen nach Syrien befördert. Auch in Gaza hat man Krüge ausgeladen und nach Syrien verfrachtet. Was die Syrier aber mit den leeren Krügen anfangen, kann kein Mensch begreifen, obwohl ich dieses Rätsel schon manchem weisen Mann unterbreitet habe. Keiner kann verstehen, warum sie für gebrauchte Krüge ebensoviel wie für neue bezahlen, noch was sie eigentlich damit anfangen.«
    Kaptahs Erzählung von den Krügen war überraschend. Aber ich zerbrach mir nicht den Kopf darüber; denn mir erschien die Getreidefrage weit wichtiger. Nachdem ich Kaptahs ganzen Rechenschaftsbericht vernommen, sagte ich daher: »Verkaufe, wenn nötig, alles was du hast, Kaptah, und kaufe dafür Getreide auf Lager, und zwar so große Mengen wie möglich, ohne nach dem Preis zu fragen. Aber kaufe keines, das noch nicht in der Erde gekeimt hat, sondern bloß Korn, das du mit eigenen Augen sehen und durch die Finger rinnen lassen kannst. Auch sollst du in Erwägung ziehen, ob man nicht das nach Syrien verkaufte Getreide zurückkaufen könnte. Denn selbst wenn der Pharao laut Friedensvertrag Korn nach Syrien senden muß, so braucht dieses Land doch nicht so viel Getreide, weil es auch welches aus Babylon erhält. Wahrlich: nächsten Herbst wird der Hunger über das Land Kêmet kommen, und deshalb sei der Mann verflucht, der aus den Speichern des Pharao Korn an Syrien verkauft, um den Wettbewerb mit dem babylonischen Getreide aufzunehmen.«
    Hierauf pries Kaptah wiederum meine Weisheit und sagte: »Recht hast du, Herr! Wenn diese Geschäfte glücklich abgeschlossen sind, wirst du der reichste Mann Ägyptens sein. Ich glaube nämlich, daß ich immer noch Getreide kaufen kann, wenn auch zu Wucherpreisen. Der Mann aber, den du verfluchst, ist der einfältige Priester Eje, der das Korn des Pharao an Syrien verkaufte, und zwar gleich nach Friedensschluß, als die Preise noch niedrig waren, und in solchen Mengen, daß Syriens Bedarf für viele Jahre gedeckt wäre. Er tat es, weil Syrien das Getreide bar in Gold bezahlte und er zum dreißigjährigen Gedenkfest des Pharao maßlos viel Gold brauchte. Und die Syrier wollen dieses Korn nicht zurückverkaufen, obgleich sich die Getreidehändler danach erkundigt haben; sie haben es vielmehr im Winter hinübergeschifft und geben kein Körnlein davon wieder her. Die Syrier sind nämlich schlaue Handelsleute, und ich glaube, daß sie warten wollen, bis in Ägypten jedes Getreidekorn mit Gold aufgewogen wird. Erst dann werden sie uns unser eigenes Getreide wiederverkaufen und in ihren Kisten alles Gold Ägyptens anhäufen, ich meine alles Gold, das wir beide, Herr, uns nicht zuvor sichern.«
    Bald jedoch vergaß ich das Getreide und die Not, die Ägypten drohte, und die Zukunft, die, nachdem der Sonnenuntergang seinen blutigen Schein über Achetaton geworfen, in Dunkel gehüllt lag. Denn ich blickte Merit in die Augen, und mein Herz sog sich voll an ihrer Schönheit, und sie war Wein in meinem Mund und Balsam in meinem Haar. Wir nahmen Abschied von Kaptah, Merit breitete mir ihre Matte zum Liegen aus, und ich zögerte nicht mehr, sie meine Schwester zu nennen, obgleich ich mir einst eingebildet hatte, nie mehr eine Frau so nennen zu können. Aber nach aller Hitzigkeit und allen Enttäuschungen meiner Jugendzeit war mir Merits Freundschaft wie Brot und Wein, die den Hungrigen speisen und seinen Durst löschen, und die Berührung ihrer Lippen berauschte mich mehr als alle Weine des Hafens und der Berge. Doch nachdem ich meinen Hunger an ihr gestillt und meinen Durst an ihr gelöscht, hielt sie im Dunkel der Nacht meine Hände in den ihrigen, und ihr Atem streifte meinen Hals; wir redeten miteinander, und mein Herz hatte keine Geheimnisse vor ihr, sondern ich sprach ohne Falsch und Trug zu ihr. Sie aber verbarg vor mir ihr Geheimnis im Herzen, was ich nicht ahnen konnte; doch es stand bereits vor meiner Geburt in den Sternen geschrieben, ich will ihrer daher ohne Bitterkeit gedenken.
    So berauschte mich meine Liebe, und ich fühlte mich jetzt in meinen Mannesjahren stärker als einst in meiner Jugend. Denn die Jugend irrt, und ihre Liebe ist ihrer Unwissenheit wegen qualvoll; die Jugend kennt auch ihre eigene Kraft

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