Sinuhe der Ägypter
viele betrogen haben, während du sie letzten Frühling durch deine Schlauheit getäuscht hast – wenn auch der Skarabäus vielleicht seinen Anteil an der Sache hat. Wie du dich erinnern wirst, befahlst du mir, dein ganzes Getreide zur Aussaat unter die Siedler zu verteilen und nur Maß für Maß zurückzuverlangen, so daß ich dich für verrückt erklärte; denn mit dem Maßstab der Vernunft gemessen, war es der Einfall eines Toren. So wisse denn, daß du jetzt dank deiner Schlauheit doppelt so reich als zuvor bist und ich die Zahl deiner Reichtümer gar nicht mehr im Kopf behalten kann und von den Steuereinhebern des Pharao hart bedrängt werde; denn ihre Habgier und Frechheit ist ungezügelter als je. Als nämlich die Getreidehändler vernahmen, daß die Siedler Saatgut bekommen sollten, fiel der Getreidepreis sofort. Und noch mehr fiel er, als sich die Friedensgerüchte verbreiteten. Alle verkauften ihr Getreide, um ihre Verpflichtungen loszuwerden, die Getreidehändler erlitten große Verluste, ja viele von ihnen verarmten. Doch als die Preise billiger wurden, kaufte ich Getreide auf Lager, und zwar in noch viel größeren Mengen als früher, obwohl es noch nicht geschnitten und noch nicht einmal reif auf den Halmen war. Im Herbst sammelte ich dann auch gemäß deinem Befehl das verteilte Getreide Maß für Maß wieder ein, wodurch ich die früheren Lager von neuem angefüllt erhielt. Und ich kann dir, Herr, im Vertrauen sagen, daß es eine Lüge ist, zu behaupten, das Korn der Siedler sei fleckig: es ist ebenso rein wie jedes andere Getreide und für niemand schädlich. Deshalb glaube ich, daß die Priester und ihre Getreuen Blut in die Kornkästen gespritzt haben, wodurch das Getreide fleckig wurde und zu riechen begann. Das ist aber eine gefährliche Rede, und ich hoffe, daß du sie keinem verrätst; übrigens würde dir doch niemand Glauben schenken, weil alle fest davon überzeugt sind, daß das Getreide der Siedler verfluchtes Getreide und ihr Brot verfluchtes Brot ist. Dabei gereicht dir dieser Aberglaube zum Vorteil, Herr. Denn beim Nahen des Winters begannen die Preise wiederum zu steigen, weil Eje nach dem Friedensschluß Getreide nach Syrien verschiffte, um das babylonische Getreide von den dortigen Märkten zu verdrängen. Deshalb ist das Getreide noch nie so teuer gewesen wie augenblicklich, und unser Gewinn ist unermeßlich und steigt, je länger wir das Korn auf Lager halten. Nächsten Herbst wird der Hunger durch Ägypten schleichen, weil die Äcker der Siedler unbebaut sind, die Sklaven die Felder des Pharao fluchtartig verlassen und die Landleute ihre Getreidevorräte verstecken, damit sie nicht nach Syrien gesandt werden. Deswegen kann ich nicht umhin, Herr, deine große Schlauheit himmelhoch zu preisen! In Getreidegeschäften bist du mir überlegen.« Kaptah ereiferte sich immer mehr und fuhr fort: »Glücklich muß ich diese Zeit nennen, die den Reichen noch reicher gemacht und einen sogar bereichert, wenn man keinen Finger rührt! Auch die Getreidehändler jubeln wieder und halten vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen Gastmahle, bei denen der Wein in Strömen fließt; denn jeder, der Getreide auf Lager kauft, wird im Schlaf reich. Wir leben wahrlich in einer seltsamen Zeit: aus dem Nichts fließen Gold und Silber in meine Schreine und Kisten. Wisse zum Beispiel, daß ich durch den Verkauf leerer Krüge ebensoviel wie am Getreide verdient habe. Das ist kein sinnloses Gerede, sondern lautere Wahrheit, wenn es auch niemand glauben sollte. In ganz Ägypten gibt es nämlich Leute, die leere, gebrauchte Krüge aufkaufen und denen jeder Krug gut ist, so daß die Bierbrauer und die Weinbauern klagen und sich die Haare raufen, weil sie keine Krüge mehr haben. Wahrlich, es ist eine merkwürdige Zeit, in der der Mensch vom Nichts reich wird! Als ich davon erfuhr, gelang es mir, alle leeren Krüge in Theben aufzukaufen; ich stellte Hunderte von Sklaven an, um Krüge zu kaufen und zu sammeln – und wahrlich, die Leute schenkten meinen Sklaven gebrauchte Krüge, wenn sie diese nur wegtrugen und so mehr Platz auf den Höfen schufen. Wenn ich behaupte, diesen Winter tausend mal tausend leere Krüge verkauft zu haben, so übertreibe ich vielleicht, aber bestimmt nicht stark. Es lohnt sich auch gar nicht für mich zu lügen; denn die Wahrheit von den Krügen übertrifft meine besten Lügen.«
»Welcher Narr wird denn leere Krüge kaufen?« fragte ich.
Kaptah blinzelte schlau mit dem
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