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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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nicht, sondern hält sie für natürlich und selbstverständlich und bedenkt nicht, daß sie Jahr für Jahr den Gliedern des Mannes entrinnt, wenn das Alter naht. Dennoch preise ich in den Tagen meines Alters die Jugend glücklicher als die Mannesjahre; denn vielleicht ist Hunger besser als Sattheit, und vielleicht verleiht der Durst den Gedanken des Menschen mehr Feuer als ein vom Wein befriedigter Sinn. Doch zu jener Zeit in Theben stellte ich mir vor, daß ich in meinen Mannesjahren stärker als in meiner Jugend sei, was vielleicht eine bloße Einbildung war, wie das Leben sie dem Menschen vorgaukelt. Dieser Selbsttäuschung wegen war in meinen Augen alles schön; ich wollte nichts Böses tun, sondern allen Menschen nur Gutes erweisen. Während ich an Merits Seite ruhte, fühlte ich mich nicht mehr als Fremdling in der Welt; ihr Schoß war mir ein Heim, und ihre Lippen küßten meine Einsamkeit weg. Aber auch das alles war nur ein flüchtiger Wahn, den ich erleben mußte, damit ich mein Maß bis zum Rande füllte.
    Im »Krokodilschwanz« sah ich auch den kleinen Thoth wieder, und sein Anblick wärmte mein Herz; er schlang mir die Arme um den Hals und nannte mich »Vater«, und sein gutes Gedächtnis rührte mich. Merit erzählte mir, daß seine Mutter gestorben sei und sie ihn zu sich genommen habe, weil sie ihn einst in ihren Armen zur Beschneidung getragen und sich dadurch nach gutem Brauch verpflichtet habe, für seine Erziehung zu sorgen, falls seine eigenen Eltern es nicht zu tun vermöchten. Thoth war im »Krokodilschwanz« heimisch geworden, und die Gäste der Weinschenke liebkosten ihn und brachten ihm Geschenke, um Merit zu gefallen. Auch ich schloß ihn ins Herz und nahm ihn für die Zeit meines Aufenthalts in Theben mit in das einstige Haus des Kupferschmieds. was Muti sehr erfreute. Wenn ich ihn am Fuße der Sykomore spielen oder mit den Kindern der Straße herumtollen und sich balgen sah, entsann ich mich meiner eigenen Kindheit zu Theben und beneidete den Kleinen. Thoth gewöhnte sich so sehr an mein Haus, daß er auch die Nächte da verbrachte, und zu meinem Vergnügen begann ich ihn zu unterrichten, obgleich es noch nicht Zeit für ihn war, die Schule zu besuchen. Ich sah, daß er ein gescheiter Junge war, der die Bilder und Zeichen der Schrift rasch erlernte, und beschloß daher, ihn auf meine Kosten in die beste Schule Thebens zu schicken, die von den Kindern der Vornehmen besucht wurde; über den Entschluß war Merit sehr froh.
    Und Muti wurde nicht müde, ihm Honigkuchen zu backen und Märchen zu erzählen; denn ihr Wunsch war erfüllt, indem es jetzt in meinem Haus einen Sohn, aber keine Frau gab, die sie gestört und ihr heißes Wasser über die Füße gegossen hätte, wie die Frauen zu tun pflegen, wenn sie mit ihren Männern gestritten haben.
    So hätte ich glücklich sein können, wenn nicht die Aufregung in Theben zu jener Zeit so groß gewesen wäre, daß ich die Augen nicht davor verschließen konnte. Es verging kein Tag ohne Prügeleien auf den Straßen und Plätzen, und die Menschen fügten sich gegenseitig Verletzungen zu und spalteten sich die Köpfe im Streit um Ammon und Aton. Die Wächter des Pharao hatten viel zu tun und ebenso die Richter. Jede Woche wurden im Hafen mit Schilfseilen gefesselte Männer und Frauen, Greise und Kinder zusammengetrieben, die aus ihren Heimen geholt und zur Zwangsarbeit auf die Felder des Pharao oder in die Steinbrüche verschickt wurden. Einige wurden Ammons wegen auch in die Bergwerke verbannt. Aber sie fuhren keineswegs wie Sklaven oder Verbrecher ab, sondern wurden von großen Menschenmengen geleitet. Die Kais waren weiß von Leuten, man begrüßte sie mit lauten Zurufen und warf ihnen, ohne sich um die Wächter zu kümmern, Blumen zu. Und sie hoben ihre gefesselten Hände und riefen: »Wir kehren bald wieder!« Manche von ihnen schwenkten heftig ihre gebundenen Hände und riefen mit bitterer Stimme: »Wahrlich, wir kommen bald zurück, um Atons Blut zu kosten!« So riefen sie, aber der Leute wegen wagten ihre Wächter nicht, sie zum Schweigen zu bringen, sondern schlugen sie erst, nachdem die Schiffe stromabwärts gefahren waren.
    Auf diese Art herrschte Zerwürfnis unter der Bevölkerung Thebens, und Atons wegen trennte sich der Sohn vom Vater und die Frau vom Mann. Wie die Getreuen Atons das Kreuz des Lebens auf den Kleidern oder um den Hals trugen, war das Horn Ammons das Abzeichen der Ammonanhänger; sie trugen es sichtbar an den Kleidern

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