Sinuhe der Ägypter
gibt keine anderen Götter. Kämpft daher für Aton, ihr Sklaven und Armen, ihr Träger und Diener; denn ihr habt nichts mehr zu verlieren, der Sieg Ammons jedoch bedeutet für euch Knechtschaft und Tod. Kämpft für den Pharao Echnaton; denn seinesgleichen ward noch nie auf Erden geboren, und durch seinen Mund spricht der Gott! Auch hat es noch nie eine solche Gelegenheit gegeben, die Welt zu erneuern, noch wird sich nach ihm eine solche mehr bieten.«
Aber die Sklaven und Träger lachten mich mit schallender Stimme aus: »Schwatz keinen Unsinn über Aton, Sinuhe! Alle Götter bleiben sich gleich – und alle Pharaonen ebenso! Du aber, Sinuhe, bist ein guter, wenn auch sehr einfältiger Mensch: du hast uns die zerbrochenen Arme geschient und die verletzten Knie geheilt, ohne Geschenke dafür zu verlangen. Lege daher die Keule weg; denn du hast doch nicht die Kraft, sie zu schwingen, zum Krieger taugst du nicht, und die ›Hörner‹ werden dich totschlagen, wenn sie die Waffe in deiner Hand sehen. Wir aber wünschen dir nichts Böses. Für uns bedeutet es nicht viel, sterben zu müssen; denn wir haben unsere Hände mit Blut besudelt, wir haben gute Tage gehabt, unter leuchtenden Baldachinen geschlafen und aus goldenen Bechern getrunken, wenn wir auch nicht mehr sicher sind, daß es der Mühe wert war. Jedenfalls geht unser Fest zur Neige, und wir werden mit der Waffe in der Hand sterben; denn nachdem wir Freiheit und gute Tage gekostet haben, schmeckt uns die Sklaverei nicht mehr. Heile unsere Wunden und lindere unsere Schmerzen, wenn du willst, aber taumle nicht mit einer Keule in der Faust unter uns herum! Denn dieser Anblick ist so lächerlich, daß wir uns vor Lachen krümmen müssen und die Speere unseren Händen entfallen – und so würden wir leicht den Negern und Schardanen und den Hörnern Ammons zum Opfer fallen!«
Ihre Rede beschämte mich: ich schleuderte die Keule von mir und ging nach Hause meinen Arztschrein holen, um mich von dort in den »Krokodilschwanz« zu begeben und Wunden zu pflegen. Drei Tage und drei Nächte währte der Kampf in Theben. Unzählige Leute vertauschten ihr Kreuz gegen ein Horn und gingen zu den »Hörnern« über. Noch größer war die Zahl derer, welche die Waffen niederlegten und sich in Häusern und Weinkellern, in Getreidespeichern und leeren Körben des Hafens versteckten. Die Sklaven und die Hafenträger aber verharrten im Kampf. Am tapfersten schlugen sich diejenigen, die am wenigsten geschrien hatten; und neben ihnen kämpften diejenigen, denen Ohren und Nasen abgeschnitten waren – weil sie wußten, daß sie auf jeden Fall erkannt würden. Drei Tage und drei Nächte dauerte die Schlacht in Theben; die Sklaven und Träger zündeten Häuser an und fochten nachts im Schein der Feuersbrünste. Auch die Neger und Schardanen steckten Gebäude in Brand, plünderten andere aus und schlugen jeden, dem sie begegneten, zu Boden, ohne zu fragen, ob er ein Kreuz oder ein Horn trage. Ihr Befehlshaber im Kampf um die Stadt war der gleiche Pepitaton, der einst die Leute auf der Widderstraße hatte umbringen lassen – nur daß sein Name jetzt wieder Pepitamon lautete. Eje hatte ihn auserkoren, weil er den höchsten Rang innehatte und der gelehrteste unter den Hauptleuten des Pharao war.
Ich, Sinuhe, aber verband die Wunden der Sklaven und heilte ihre zertrümmerten Schädel im »Krokodilschwanz«, und Merit zerschnitt alle meine Kleider sowie auch Kaptahs und ihre eigenen Gewänder zu Binden für die Verwundeten, und der kleine Thoth brachte ihnen Wein zur Linderung ihrer Schmerzen. Wer es vermochte, kehrte trotz seiner Wunden in den Streit zurück, und am letzten Tag wurde nur noch im Hafen und im Armenviertel gekämpft: die krieggewohnten Neger und Schardanen mähten die Menschen wie Getreide nieder, so daß das Blut durch die engen Gassen und über die Ufer in den Strom hinunterfloß. Nie zuvor hatte in Kêmet der Tod eine so reiche Ernte eingebracht; denn sobald ein Mann zu Boden stürzte und liegenblieb, ohne sich wieder erheben zu können, spießten ihn die Neger und die »Hörner« mit ihren Speeren auf, und gleichermaßen verfuhren die Sklaven und Träger mit den »Hörnern«, die ihnen in die Hände fielen. Von alledem aber sah ich nicht viel, weil ich im »Krokodilschwanz« Wunden verband und keine Zeit hatte, mich umzublicken. Ich tat es, wie ich glaube, Pharao Echnatons wegen, obwohl ich es nicht mit Bestimmtheit weiß, weil der Mensch sein eigenes Herz nicht
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