Sinuhe der Ägypter
Priesters Eje zurück nach Achetaton zu dem verfluchten Pharao, aber auch Haremhab hatte in Tanis vernommen, was sich in Theben und überall am Strom zugetragen, weshalb er rasch seine Kriegsschiffe bemannte und stromaufwärts nach Achetaton fuhr. Während er so den Strom hinaufsegelte, kehrte die Ruhe in allen Städten und Dörfern der Ufer wieder, wurden die Tempel von neuem geöffnet und die Bildnisse der Götter an ihren alten Plätzen aufgestellt. Er aber beschleunigte seine Reise; denn er wollte gleichzeitig mit Eje in Achetaton eintreffen, um ihm die Macht streitig zu machen, und darum begnadigte er auch alle Sklaven, welche die Waffen niederlegten, und bestrafte niemand, der das Kreuz Atons freiwillig gegen das Horn Ammons vertauschte. Deshalb pries das Volk seine Barmherzigkeit, obwohl sie nicht aus seinem Herzen kam, sondern nur damit zusammenhing, daß er waffenfähige Männer für den Krieg aufsparen wollte. Auch die Priester sangen sein Lob überall, wo seine Kriegsschiffe anlegten; denn er öffnete die geschlossenen Tempel, richtete die umgestürzten Götterbildnisse auf und opferte sogar, wenn er guter Laune war, den Göttern.
Die Stadt Achetaton aber war verfluchtes Gebiet. Die Priester und »Hörner« bewachten alle dorthin führenden Wege und erschlugen jeden von dort kommenden Flüchtling, falls er sich nicht bereit zeigte, sein Kreuz gegen ein Horn zu vertauschen und Amnon zu opfern. Sogar den Strom hatten sie mit Kupferketten gesperrt, damit niemand auf diesem Weg entkomme. Die meisten Flüchtlinge brachten jedoch gern Ammon Opfer dar und verfluchten Aton; denn auch die Bewohner Achetatons waren seiner überdrüssig geworden. Ich konnte Achetaton vom Schiff aus kaum mehr erkennen: Totenstille herrschte in der Stadt, die Blumen in den Lustgärten waren verwelkt und die einst grünen Rasen vergilbt, da niemand mehr Gärten und Beete bewässerte. Kein Vogel sang mehr in den von der Sonne ausgetrockneten Bäumen, und in der Stadt herrschte der ekelerregende, fürchterliche Geruch des Fluches, dessen Ursprung niemand kannte. Die Vornehmen hatten ihre Häuser verlassen; als erste waren ihre Diener geflohen. Auch die Bauleute und Bergarbeiter hatten ihre Stadt aufgegeben und sogar ihr Kochgeschirr zurückgelassen; denn niemand getraute sich, aus der verfluchten Stadt etwas mitzunehmen. Die Hunde hatten ausgeheult und waren in ihren Käfigen verendet, und die Pferde waren in ihren Ständen verhungert, nachdem die flüchtigen Diener ihnen die Fußsehnen durchgeschnitten. Das herrliche Achetaton war bereits eine tote Stadt, und eine Wolke der Verwesung schlug mir bei meiner Ankunft entgegen.
Aber Pharao Echnaton hielt sich immer noch in dem goldenen Haus zu Achetaton auf, seine Familie weilte bei ihm, und die treuesten Diener waren Atons wegen zurückgeblieben. Auch die ältesten Höflinge, die sich das Leben nirgendwo sonst als in dem goldenen Haus vorstellen konnten, waren noch dort. Sie alle wußten nichts von den Geschehnissen in der Außenwelt; denn schon seit ein paar Mondumläufen war kein Bote mehr nach Achetaton gelangt. Die Vorräte in dem goldenen Haus waren versiegt, und alle seine Bewohner nährten sich auf Befehl Pharao Echnatons von trockenem Brot und Armengrütze. Die Unternehmungslustigsten aber stachen Fische mit der Fanggabel aus dem Strom oder erlegten mit ihren Wurfhölzern Vögel, die sie heimlich verspeisten.
Der Priester Eje schickte mich voraus, damit ich dem Pharao alles, was geschehen, berichte, da sich Echnaton auf mich als seinen Freund verlassen würde. So trat ich wieder vor den Pharao hin; aber alles in mir war zu Eis erstarrt, ich fühlte weder Schmerz noch Freude mehr, und mein Herz war ihm verschlossen. Er hob sein fahles, ausgemergeltes Gesicht, seine Hand ruhte schlaff auf dem Knie, er betrachtete mich aus trüben Augen und fragte:
»Sinuhe, bist du der einzige, der zu mir zurückkehrt? Wo bleiben alle meine Getreuen? Wo bleiben alle, die mich liebten und die ich liebgehabt habe?«
Ich erwiderte ihm: »Die alten Götter herrschen wieder in Ägypten; in Theben bringen die Priester unter dem Jubel des Volkes Ammon Opfer dar. Sie haben dich und deine Stadt verflucht, Pharao Echnaton! Deinen Namen haben sie in Ewigkeit verwünscht und tilgen ihn bereits aus allen Inschriften.«
Er machte mit der Hand eine ungeduldige Gebärde, und Erregung trat auf sein Antlitz, als er sprach: »Ich frage nicht nach den Geschehnissen in Theben, sondern frage: Wo bleiben meine
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