Sinuhe der Ägypter
unter Haremhabs Leuten, die gewohnt waren, mit Pferden umzugehen, ihnen sanft zusprachen und sie überredeten, in Zukunft Ägypten zu dienen. Das Pferd ist nämlich ein kluges, wenn auch schreckliches Tier, das die Reden der Menschen versteht. Deshalb willigten sie ein, Ägypten zu dienen, nachdem sie genügend Futter und Wasser bekommen hatten. Wieso es aber kam, daß sie Ägyptisch verstanden, nachdem sie doch früher nur die unbegreifliche Sprache der Hetiter gehört hatten, ist mir unfaßbar. Haremhabs Leute versicherten mir jedoch, daß sie alles, was man ihnen sage, verständen; und ich mußte es schließlich glauben, als ich sah, wie ich diese mächtigen, wilden Tiere die Behandlung durch die Soldaten gefallen und die schweren, heißen Wollpanzer abnehmen ließen.
Noch in der gleichen Nacht ließ Haremhab die Wüstenräuber und Freischärler auf beiden Flanken vom Sieg benachrichtigen und forderte alle mutigen Männer unter ihnen auf, seinen Streitwagentruppen beizutreten; denn die Wüstenbewohner verstanden besser, mit Pferden umzugehen, als die Ägypter, die sich vor diesen Tieren fürchteten. Alle Pferdeliebhaber folgten jubelnd seinem Ruf und hatten große Freude an den schweren Wagen und den stattlichen Gespannen. Ebenso erfreut waren die Wölfe, Schakale und Geier der Wüste, die sich in großen Scharen auf die Leichen warfen, ohne einen Unterschied zwischen Ägyptern und Hetitern zu machen.
Ich fand jedoch keine Zeit, an all das zu denken; denn ich hatte mehr als genug damit zu tun, Verwundete zu pflegen, Wunden zuzunähen, ausgerenkte Glieder einzurenken und Schädel zu öffnen, die von den hetitischen Streitkolben eingeschlagen worden waren. Obgleich ich viele Gehilfen zum Abnehmen der Glieder und zum Vernähen der Wunden zur Verfügung hatte, dauerte es doch drei Tage und drei Nächte, bevor alle Verletzungen behandelt waren; und in dieser Nacht starben auch die unheilbar Verwundeten. Leider konnte ich diese Arbeit nicht ungestört ausführen, sondern wurde von unaufhörlichem Schlachtenlärm belästigt; denn die Hetiter wollten noch immer nicht an ihre Niederlage glauben. Am zweiten Tag unternahmen sie einen Angriff mit den leichten Streitwagen, um die verlorenen schweren Gefährte zurückzuerobern, und noch am dritten Tag versuchten sie, die Hindernisse zu durchbrechen; denn sie getrauten sich nicht, nach Syrien zurückzukehren und ihren höheren Anführern die Niederlage einzugestehen.
Am dritten Tag aber beschränkte sich Haremhab nicht mehr auf die Verteidigung, sondern ließ die Hindernisse öffnen und schickte seine Soldaten mit den den Hetitern abgenommenen Streitwagen in den Kampf. Diese jagten die feindliche Kolonne der leichten Wagen vor sich her und sprengten sie auseinander – wenn auch unter großen Verlusten; denn die Hetiter waren gewandter und besaßen mehr Erfahrung im Wagenkampf, weshalb ich wieder viel Arbeit erhielt. Haremhab aber erklärte diese Verluste für unvermeidlich, da seine Soldaten nur im Kampf lernen könnten, mit Roß und Wagen umzugehen. Es sei daher besser, sie auszubilden, solange der Feind noch schwach und von Furcht gelähmt sei, als wenn dieser neu gekräftigt und gerüstet seine Streitwagen gegen die ägyptischen schickte.
»Wir können Syrien niemals erobern, wenn wir keine eigenen Kampfwagen gegen die feindlichen einzusetzen haben!« erklärte Haremhab. »Deshalb ist dieser ganze Krieg im Schutz der Hindernisse nur ein Kinderspiel, durch das wir nichts gewinnen, selbst wenn wir dabei den Angriff der Hetiter gegen Ägypten verhindern.«
Er hoffte inbrünstig, daß die Hetiter auch ihr Fußvolk in die Wüste gegen ihn schicken würden; denn ohne genügende Wasservorräte wären ihm die Hetiter dort eine leichte Beute geworden. Die Hetiter aber waren klug und gelehrig, behielten ihre Truppen in Syrien zurück und hofften ihrerseits, Haremhab werde, vom Sieg geblendet, seine Soldaten aus der Wüste gegen Syrien schicken, wo sie den ausgeruhten und kriegserfahrenen Truppen und Streitwagen der Hetiter ohne weiteres zum Opfer fallen müßten. Doch rief ihre Niederlage eine große Aufregung in Syrien hervor, wo sich viele Städte gegen Aziru erhoben und ihm ihre Tore verschlossen, weil sie seiner Herrschsucht und der Machtgier der Hetiter überdrüssig waren und im Glauben an einen raschen Sieg Ägyptens dessen Gunst zu gewinnen hofften. Die syrischen Städte sind nämlich untereinander stets uneinig gewesen, und Haremhabs Spione schürten die Unruhe ihrer
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