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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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schlagen. Sie erkannten, daß die Hetiter schwere Verluste erlitten hatten und ihr Angriff aufgehalten worden war, und schrieben dieses Ergebnis ihrer eigenen Tapferkeit und Geschicklichkeit zu. Schreiend vor Eifer und Schreck, warfen sie sich mit erhobenen Speeren auf die stehengebliebenen Streitwagen, krochen mit ihren Messern über den Boden, um den Pferden die Fesseln durchzuschneiden, und rissen die Lenker von den Wagen herunter, während die Bogenschützen auf die Feinde, welche die Steinblöcke fortwälzten, zielten. Haremhab ließ sie nach Belieben wüten, und ihre zahlenmäßige Überlegenheit kam ihnen zu Hilfe, so daß sie zahlreiche Streitwagen eroberten, die sie, gebläht von Stolz und Erregung, den Soldaten Haremhabs übergaben. Denn sie selbst verstanden sich ihrer nicht zu bedienen, sondern hingen verängstigt am Zaumzeug der sich bäumenden Rosse oder fürchteten, von den Wagen zu fallen, sobald sie diese einmal bestiegen hatten. Haremhab aber erklärte ihnen keineswegs, daß der Kampf doch verloren sein würde, sobald erst die schweren Streitwagen angerollt kämen; er verließ sich auf sein Glück und auf den tiefen Graben, den er im Tal hinter den Truppen hatte ausheben und mit Büschen und Reisig zudecken lassen. Diesen Graben hatten die leichten Streitwagen noch nicht erreicht; die Lenker aber glaubten, schon alle Hindernisse genommen zu haben.
    Nachdem die überlebenden Hetiter einen genügend breiten Weg für die schweren Streitwagen gebahnt hatten, bestiegen sie wieder ihre Gefährte und zogen sich eilends zurück. Diese Flucht weckte einen stürmischen Jubel unter den Truppen Haremhabs, die bereits gesiegt zu haben glaubten und sich beeilten, die mit gebrochenen Beinen in die Gräben gestürzten Pferde mit ihren Speeren zu durchbohren und die von den Wagen herabgefallenen Hetiter, die sich kriechend hinter Steinblöcken zu verstecken suchten, totzuschlagen. Haremhab aber ließ unverzüglich in die Hörner stoßen, die Steine wieder an ihren Platz zurückwälzen und Speere mit schräg gegen die Angreifer gerichteten Spitzen in den Sand stecken; denn um unnütze Verluste zu vermeiden, konnte er nichts anderes unternehmen, als seine Truppen auf beiden Flanken an diejenigen Stellen zu verlegen, wo die Hindernisse durchbrochen waren. Sonst hätten die großen Sensen der in der Mitte der Front drohenden schweren Streitwagen seine Truppen wie reifes Getreide niedergemäht.
    Er tat es im letzten Augenblick; denn die Zeit des kleinsten Wassermaßes war kaum verstrichen und die Staubwolke im Tal noch nicht aufgelöst, als die schweren Streitwagen der Hetiter, der Stolz und die Blüte des Heeres, dröhnend und ratternd herangerollt kamen und alle Hindernisse unter ihren Rädern zermalmten. Gewaltige, schwere Pferde, welche die ägyptischen um ein Brustmaß überragten und deren Köpfe durch Metallmasken, deren Flanken durch Wollpanzer geschützt waren, zogen diese Wagen. Von dem Gewicht der Räder wurden sogar große Steinblöcke zur Seite gedrängt, sie wirbelten Staubwolken auf, und die kräftigen Brustseiten der Pferde rammten die in den Boden gebohrten Speere, daß deren Schäfte wie trockenes Schilf zerbrachen. Ein furchtbares Wehklagen und Geschrei erhob sich im Tal, während sie vorwärtsstürmten; und als ich das grausige Geheul der Leute vernahm, die von den Wagenrädern zerschmettert oder von den Sensen entzweigeschnitten wurden, stand ich von neuem auf, um Umschau zu halten. Aber nirgends eröffnete sich mir ein Weg zur Flucht.
    Jetzt brachen die großen Mengen der Hetiter aus der Staubwolke im Tal hervor, und ihre Pferde sprengten in den farbigen Wollpanzern und mit den langen, aus den Kopfmasken hervorlugenden Spitzen der Bronzehörner wie gespenstische Ungeheuer voran. Rasselnd preßten sie sich in einer endlosen Heeressäule vorwärts, und keine Macht der Welt schien ihrem Vorrücken Einhalt gebieten zu können. Denn vor ihnen waren keine Hindernisse mehr zu sehen, und keine Ägypter versperrten ihnen den Weg zu den Wasservorräten in der Wüste, weil sich die Truppen auf Haremhabs Befehl aus dem Tal gegen die Hügellehnen zu beiden Seiten zurückgezogen hatten. Die Hetiter stießen einen donnernden Kriegsruf aus und fuhren mit solchem Ungestüm weiter, daß die Staubwolken hinter ihnen aufwirbelten und jede Sicht verdeckten. Ich aber warf mich der Länge nach zu Boden und beweinte bitterlich Ägypten und das schutzlose Untere Land und alle, die Haremhabs dummer Halsstarrigkeit und

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