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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Streitwagen; sie rollten große Steinblöcke vor sich her oder schleppten solche auf Ochsenwagen herbei, um die Masse der Streitwagen in einem engen Raum einzuschließen, zusammenzudrängen und lahmzulegen. Bald stürzten große Blöcke über die Abhänge auf die Wagen hinunter; denn die Ägypter haben zu allen Zeiten geschickt mit Steinen umzugehen verstanden, und in Haremhabs Heer gab es nur zu viele Leute, die diese Kunst in den Steinbrüchen erlernt hatten.
    Die Hetiter gerieten in höchste Verwirrung, als sich die Staubwolken nicht legen wollten und sie daher nicht sehen konnten, was um sie herum geschah, während die Pfeile sie von ihren Wagen, aus denen sie sich zum Ausschauen vorbeugten, herunterholten. Ihre Hauptleute stritten sich untereinander, weil sie noch nie zuvor einen derartigen Überfall erlebt hatten und daher ratlos waren; denn bei ihren Übungen hatten sie nicht gelernt, was in einer solchen Lage zu tun sei. Deshalb vergeudeten sie ihre Zeit mit Händeln und schickten einige Streitwagen in die Staubwolken hinein, um die ägyptischen Stellungen auszukundschaften. Diese Fahrzeuge kehrten aber nicht mehr zurück; denn die Pferde strauchelten über die Steine, und die Speerwerfer Haremhabs rissen die Lenker von den Wagen und machten ihnen den Garaus. Schließlich ließen die hetitischen Hauptleute in die Hörner stoßen, um die Wagen zu sammeln und vereint in die Ebene zurückzufahren, wo sie ihre Truppen neu zu ordnen gedachten. Als sie aber auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen, zurückstürmen wollten, erkannten sie ihn nicht mehr und verirrten sich; die Pferde verstrickten sich in den gespannten Seilen und gelegten Schlingen, und die schweren Wagen fuhren gegen Steinblöcke und kippten um, so daß ihre Besatzungen schließlich aussteigen und zu Fuß kämpfen mußten. Sie waren tapfere und erfahrene Krieger und töteten daher viele Ägypter; aber sie waren nicht gewohnt, zu Fuß, sondern nur von ihren Wagen aus zu kämpfen. Deshalb wurden sie schließlich von Haremhabs Truppen besiegt, nachdem die Schlacht bis zum Abend gedauert.
    Gegen Abend wehte von der Wüste her ein Wind, fegte die Staubwolken aus dem Tal und enthüllte den Schauplatz des Kampfes und die fürchterliche Niederlage der Hetiter: sie hatten die Großzahl ihrer schweren Streitwagen eingebüßt, und zahlreiche Fahrzeuge und Rosse waren mit ihrer ganzen Ausrüstung unversehrt in Haremhabs Hände gefallen. Trotzdem erschraken dessen Leute sehr, als sie, von Dampf, Wunden und Blutgeruch erregt und erschöpft, ihre eigenen Verluste wahrnahmen; denn im Tal lagen viel mehr Leichen von Ägyptern als von Hetitern. Entsetzt meinten die Überlebenden: »Das war ein Tag des Grauens, und es ist ein Glück, daß wir während der Schlacht nichts sehen konnten! Hätten wir die Übermacht der Hetiter und die Zahl unserer Gefallenen gesehen, so hätten wir vor Angst gezittert und nicht wie Löwen gekämpft.«
    Als jedoch die letzten am Leben gebliebenen Hetiter, die, durch ihre Wagen und ihre gefallenen Rosse gedeckt, noch weiterkämpften, das Ausmaß ihrer Niederlage erkannten, brachen sie in Tränen aus und sagten zu sich: »Unsere schweren Streitwagen, die Blüte und der Stolz unseres Heeres, sind verloren! Der Himmel und die Erdmutter haben uns verlassen! Diese Wüste gehört nicht mehr der Erdmutter, sondern allen Teufeln. Deshalb nützt es nichts mehr, wenn wir weiterkämpfen; wir legen daher die Waffen nieder.« Und sie stießen die Speere vor sich in den Boden, ließen die Waffen aus den Händen gleiten und streckten die Arme hoch, worauf Haremhab sie als Gefangene mit Seilen fesseln ließ und alle Sumpfratten des Nils gelaufen kamen, um sie zu bestaunen, ihre Wunden zu betasten und ihnen die geflügelten Sonnen und Doppeläxte von den Helmen und Kleidern zu reißen.
    Durch dieses grauenhafte Durcheinander schritt Haremhab von einer Abteilung zur andern, fluchte und wetterte, klatschte freundschaftlich mit seiner goldenen Peitsche, redete diejenigen, die sich im Kampf ausgezeichnet hatten, beim Namen an und nannte sie seine Kinder und lieben Sumpfratten. Er ließ Wein und Bier verteilen und gestattete ihnen, sämtliche Gefallenen, sowohl Hetiter als Ägypter, auszuplündern, damit sie ihren Anteil an der Siegesernte bekämen. Seine kostbarste Beute aber bestand aus den schweren Streitwagen und den unbeschädigten Rossen, die wild um sich bissen und mit den Hufen ausschlugen, bis man ihnen reichlich Wasser und Futter gab, und diejenigen

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