Sinuhe der Ägypter
Gelände für den Wagenkrieg eignete und sie daher nicht an ihrem Sieg zweifelten. Aber der Winter war bereits so weit fortgeschritten, daß sie die Pferde mit trockenem Stroh und mit von syrischen Kaufleuten erstandenem Heu füttern mußten, und kurz vor der Schlacht erkrankten die Tiere und wurden schwach auf den Beinen, ihre Ausscheidung war grün und wässerig, und viele von ihnen gingen ein. Deshalb waren die Streitwagen Haremhabs den ihrigen an Zahl ebenbürtig, und er konnte sich mit Aussicht auf Erfolg in eine Schlacht einlassen. Nachdem er die feindlichen Streitwagen vertrieben, war es ihm ein leichtes, das von Schreck gelähmte Fußvolk zu zersprengen. Seine Speerwerfer und Bogenschützen vollendeten das von den Streitwagen begonnene Werk, die Hetiter erlitten eine größere Niederlage als je zuvor, und auf dem Schlachtfeld blieben ebenso viele Leichen von Hetitern und Syriern wie von Ägyptern, weshalb die Ebene von da an die Ebene der Menschengebeine genannt wurde. Als Haremhab aber in das feindliche Lager kam, ließ er zuallererst die Futtervorräte in Brand stecken und vernichten; denn das Futter enthielt Giftpflanzen, welche die Pferde der Hetiter krank gemacht hatten. Damals wußte ich noch nicht, wie Haremhab diese List zustande gebracht hatte.
So gelangte Haremhab bis Gaza, und während sich die Hetiter und Syrier im ganzen südlichen Syrien in befestigte Städte und Garnisonen zurückzogen, sprengte er den Belagerungskrieg um Gaza. Gleichzeitig fuhr die ägyptische Flotte in den Hafen von Gaza ein, wenn sie auch nach der zwei Tage zuvor stattgefundenen Seeschlacht arg zugerichtet war und viele ihrer Schiffe noch in Flammen standen. Die Seeschlacht war unentschieden geblieben, weil die ägyptische Flotte im Hafen von Gaza Zuflucht gesucht hatte und überdies viele Fahrzeuge an den Hindernissen, die den Hafen versperrten, zu Schaden gekommen waren, bevor der vorsichtige Befehlshaber der Stadt ihnen Vertrauen schenkte und sie hereinließ. Aber auch die Flotte Syriens und der Hetiter zog sich nach Tyrus und Sidon zurück, um ihre erlittenen Schäden auszubessern. Da somit beide Parteien den Kampf unterbrachen, blieb dieser unentschieden. Haremhab aber konnte von nun an auf dem Seeweg Proviant und Truppen nach Gaza schaffen, um seine Ausrüstung zu ergänzen, und andererseits seine verwundeten und verstümmelten Soldaten nach Ägypten zurückbefördern.
Der Tag, an dem das unbesiegliche Gaza den Truppen Haremhabs die Tore öffnete, wird immer noch in ganz Ägypten gefeiert; dieser Wintertag ist Sekhmet geweiht, und die kleinen Jungen spielen »Belagerung von Gaza« und bekämpfen einander mit Holzkeulen und Schilfspeeren. Nie ist wohl eine Stadt tapferer verteidigt worden, und ihr Befehlshaber hat den dadurch erworbenen Ruhm wahrlich verdient. Deshalb will ich seinen Namen nennen, obwohl er mich einst zu meiner Schande in einem Korb in einem Schilfseil an den Mauern Gazas hatte hochziehen lassen: sein Name lautet Roju.
Seine Leute nannten ihn den Stiernacken, und ich finde diesen Beinamen äußerst bezeichnend sowohl für sein Äußeres als auch für seine Gesinnung; denn einem eigensinnigeren und mißtrauischeren Menschen bin ich nie begegnet. Nach seinem Sieg mußte Haremhab vor Gaza einen ganzen Tag lang vergeblich in die Hörner stoßen lassen, bis ihm Roju endlich traute und die Tore öffnen ließ. Und auch dann noch gestattete er nur Haremhab allein den Zutritt zur Stadt, um sich erst davon zu überzeugen, daß es wirklich der ägyptische Feldherr und kein verkleideter Syrier war. Als ihm endlich klar wurde, daß Haremhab die Hetiter geschlagen hatte und Gaza nicht länger in Gefahr schwebte, da die Belagerung aufgehoben war, legte er nicht etwa überschwengliche Freude an den Tag, sondern betrug sich ebenso mürrisch wie zuvor. Auch war es ihm keineswegs angenehm, daß Haremhab als Oberbefehlshaber über ihm stand; denn während der jahrelangen Belagerung hatte er sich angewöhnt, selbst über alles zu entscheiden.
Ich muß noch mehr von diesem Stiernacken Roju erzählen; denn er war ein ganz besonderer Kerl, der durch seinen Eigensinn viele Verwicklungen in Gaza anrichtete. Ich glaube sogar, daß er bei seiner Eigenmächtigkeit ein wenig verrückt und im Gehirn nicht ganz normal war. Wäre er aber nicht der gewesen, der er war, so wäre Gaza längst in die Hände der Hetiter und der Truppen Azirus gefallen. Auch glaube ich nicht, daß er in irgendeiner anderen Stellung Erfolg gehabt haben
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