Sinuhe der Ägypter
Seufzer der Erleichterung aus, denn das Schlimmste war vorüber. Auch ich seufzte instinktiv, und es war, als hätte sich dasselbe Gefühl auf den Pharao übertragen, denn seine Glieder bewegten sich, der Atem ging ruhiger, und er schien in noch tiefere Bewußtlosigkeit zu versinken. Beim klaren Schein des Lichtes betrachtete Ptahor eine Weile nachdenklich das Gehirn des Pharao, das entblößt in der geöffneten Hirnschale lag. Die zuckende Hirnmasse war graublau.
»Hm«, meinte Ptahor grüblerisch. »Was getan ist, ist getan. Möge Aton das übrige besorgen, denn dies ist Sache der Götter und nicht der Menschen.« Leicht und behutsam legte er das Knochenstück wieder an seinen Platz, strich Leim in die Fuge, zog die Kopfhaut zurecht und verband die Wunde. Die königliche Ge^ mahlin legte das Haupt des Sterbenden an eine aus kostbarem Holz geschnitzte Genickstütze und blickte Ptahor an. Das Blut in ihrem Schoß war getrocknet, doch sie schenkte ihm keine Beachtung. Ptahor begegnete ihrem furchtlosen Blick und sprach, ohne sich vor ihr zu verbeugen, mit leiser Stimme:
»Er wird bis zum Morgengrauen leben, falls sein Gott es ihm gestattet.«
Dann hob er die Hände zum Zeichen der Trauer, und ich folgte seinem Beispiel. Doch als Ptahor dann die Hände zum Ausdruck der Teilnahme hob, wagte ich nicht, ihn nachzuahmen, denn wer war ich, daß ich Mitleid mit den Königlichen hätte zeigen dürfen. Ich reinigte die Werkzeuge im Feuer und legte sie in den Ebenholzschrein zurück.
»Du wirst große Geschenke erhalten«, sagte die erhabene königliche Gemahlin und gab uns mit der Hand zu verstehen, daß wir entlassen seien.
In dem königlichen Saal stand eine Mahlzeit für uns bereit, und Ptahor sah erfreut die vielen Weinkrüge. Nachdem er die Siegel genau studiert hatte, ließ er einen der Krüge öffnen, und Sklaven gossen Wasser über unsere Hände.
Als man uns allein gelassen hatte, wagte ich Ptahor über Aton auszufragen, denn ich wußte wirklich nicht, daß Amenophis der Dritte auch einem Gott dieses Namens einen Tempel zu Theben hatte bauen lassen. Ptahor erklärte, daß Rê-Harachte der Familiengott der achtzehnten Dynastie sei, weil der größte der Kriegerkönige, Thutmosis der Erste, einst in der Wüste bei der Sphinx einen Traum hatte, in dem sich jener Gott ihm offenbarte und ihm prophezeite, daß er eines Tages die Doppelkrone beider Reiche tragen werde, obschon Thutmosis zu jener Zeit nicht die geringsten Aussichten zu haben schien, Herrscher zu werden. Es gab nämlich zu viele Thronerben, die vor ihm an der Reihe waren. Dies entsprach der Wahrheit, denn Ptahor hatte selbst in den Tagen seiner jugendlichen Torheit eine Reise zu den Pyramiden unternommen und mit eigenen Augen den Tempel gesehen, den Thutmosis, zum Andenken an dieses Ereignis, zwischen den Tatzen der Sphinx hatte errichten lassen. Er sah auch die Tafel, auf welcher der König seine Offenbarung schilderte. Vor allen andern Gottheiten Ägyptens verehrten seither dieser Pharao und sein Geschlecht den Rê-Harachte, der seinen Sitz in Heliopolis im untern Reich hatte und der sich als Aton offenbarte.
Dieser Aton war ein uralter Gott, älter als Ammon, doch war er vergessen gewesen, bis Teje, die große Gemahlin unseres sterbenden Königs, nach einem Besuch in Heliopolis, wo sie zu Aton gebetet hatte, einen Sohn gebar. Deshalb errichtete man Aton später auch in Theben einen Tempel, obschon er eigentlich von niemand anderem als den Mitgliedern der königlichen Familie besucht wurde. Aton war dort in der Gestalt eines Stieres, der die Sonne zwischen seinen Hörnern trug, dargestellt. Auch Horus war auf dem Bild als Falke zu sehen.
»Infolgedessen ist der Thronerbe ein göttlicher Sohn dieses Aton«, erklärte Ptahor und nahm einen Schluck Wein. »Es geschah ja im Tempel Rê-Harachtes, daß die königliche Gemahlin eine Offenbarung hatte, worauf sie einen Sohn gebar. Von dort brachte sie auch einen besonders ehrgeizigen Priester mit, an dem sie Gefallen fand. Sein Name ist Eje, und er verstand es so einzurichten, daß seine Frau Amme beim Thronerben wurde. Er besitzt nämlich eine Tochter namens Nofretete, die an derselben Brust wie der Thronerbe gesogen und als Kind im Palast an Schwester Statt mit ihm gespielt hatte. Du kannst wohl ahnen, was daraus werden wird.« Ptahor trank von neuem, seufzte und sagte: »Ah, für einen alten Mann gibt es nichts Herrlicheres, als Wein zu trinken und über Dinge zu reden, die ihn nichts angehen. Ja, mein
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