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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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breiten dunkelbraunen Füßen zu sein. Ich verstand sie gut, denn der Blutstiller war ein Ochsentreiber niederer Herkunft, der weder schreiben noch lesen konnte. Er stand da, mit gebeugtem Haupt und hängenden Armen, mit offenem Mund und dummstolzem Gesichtsausdruck. Er besaß weder Begabung noch Verstand, aber er hatte die Fähigkeit, durch seine bloße Anwesenheit Blutungen zu stillen, und deshalb hatte man ihn von seinem Pflug und seinen Ochsen weggeholt und im Tempel angestellt. Allen Reinigungsmitteln zum Trotz haftete der Geruch von Ochsenmist noch immer an ihm, und er vermochte nicht zu erklären, woher seine Fähigkeit stammte. Er besaß sie einfach, wie ein Edelstein sich oft in einem Klumpen Kies verbirgt, und diese Gabe kann weder durch Studien noch durch geistige Übungen erworben werden.
    »Ich gestatte nicht, daß er den Gott berührt«, sprach die große königliche Gemahlin. »Wenn nötig, werde ich selbst das Haupt des Gottes halten.«
    Ptahor machte Einwände und erklärte, daß die Verrichtung blutig und unangenehm sein werde. Dessen ungeachtet setzte sich die große königliche Gemahlin auf den Rand des Bettes und hob mit äußerster Behutsamkeit das Haupt ihres sterbenden Gemahls in ihren Schoß, ohne sich darum zu kümmern, daß der Speichel aus seinem Mund auf ihre Hände tropfte.
    »Er ist mein«, sprach die Königin, »und kein anderer soll ihn berühren. Aus meinem Schoß mag er in das Land des Todes eingehen.«
    »Er, der Gott, wird das Schiff der Sonne besteigen und geradenwegs in das Land der Seligen segeln«, sagte Ptahor und schlitzte des Königs Kopfhaut mit dem Steinmesser auf. »Von der Sonne ist er geboren, und zur Sonne wird er wiederkehren, und alle Völker werden von Ewigkeit zu Ewigkeit seinen Namen preisen. Bei Seth und allen Teufeln, was trödelt denn der Blutstiller dort?« Er plauderte absichtlich allerlei belangloses Zeug, um die Gedanken der königlichen Gemahlin von der Operation abzulenken, wie jeder geschickte Arzt immer zu einem Patienten spricht, dem er Schmerzen verursacht. Mit den letzten Worten aber fauchte er den Blutstiller an, der mit schläfrig gesenkten Lidern am Torpfosten lehnte, denn aus dem Haupte des Pharao begann dickflüssiges Blut hervorzuquellen und in den Schoß der königlichen Gemahlin zu fließen, so daß sie zusammenzuckte und ihr Gesicht sich gelblich-grau verfärbte. Der Blutstiller erwachte aus seinen Gedanken. Vielleicht hatte er an seine Ochsen und Bewässerungskanäle gedacht, nun aber entsann er sich seines Berufes, trat näher, blickte den Pharao an und hob die Hände. Die Blutung hörte augenblicklich auf, und ich wusch und reinigte den Kopf.
    »Verzeih«, sagte Ptahor und nahm den Bohrer aus meiner Hand. »Zur Sonne gewiß, geradewegs zu seinem Vater wird er im goldenen Schiff segeln. Ammon segne ihn.« Während Ptahor so vor sich hin redete, drehte er mit raschen, gewandten Bewegungen den Bohrer zwischen seinen Händen, der knirschend in den Knochen eindrang. Da schlug der Thronerbe seine Augen auf, trat einen Schritt näher heran und sprach mit zuckendem Gesicht: »Nicht Ammon, sondern Rê-Harachte möge ihn segnen, und Aton sei seine Offenbarung.« Ich erhob ehrfürchtig meine Hände, obgleich ich nicht verstand, wovon er sprach. Wer hätte auch all die tausend Götter Ägyptens kennen können? Am wenigsten ein geweihter Priester Ammons, dessen heilige Dreieinigkeiten und Neunfältigkeiten ihm genügend Kopfzerbrechen bereiteten.
    »Ja, gewiß, Aton«, murmelte Ptahor beschwichtigend. »Warum nicht Aton? Meine Zunge wird sich versprochen haben.« Wieder nahm er sein Steinmesser und den Hammer mit dem Stiel aus Ebenholz und begann mit leichten Schlägen das Knochenstück zu lösen. »Tatsächlich, ich entsinne mich, daß er in seiner göttlichen Weisheit Aton einen Tempel errichten ließ. Geschah es nicht kurz nach der Geburt des Prinzen, oder wie, schöne Teje? So – nur noch ein klein wenig Geduld!« Er schielte besorgt zu dem Thronfolger hin, der mit geballten Fäusten und zuckendem Gesicht am Bett stand. »Eigentlich würde ein Schluck Wein meine Hand festigen und sicher auch dem Prinzen nicht schlecht bekommen. Nach diesen Anstrengungen würde es sich wahrhaftig lohnen, sogar das Siegel eines königlichen Kruges zu brechen!« Ich reichte ihm die Zange, und er riß das gelöste Knochenstück von dem auf den Knien der Königin ruhenden Haupte, daß es nur so knirschte. »Leuchte mir ein wenig, Sinuhe!«
    Ptahor stieß einen

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