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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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mir die Kleider und rief: »Mensch, mein Bruder, bleibe am Leben!«
    Aber niemand vermochte mehr sein Sterben aufzuhalten. Die Hetiter legten seinen Leichnam in starken Wein und Honig, um ihn nach Chattuschasch in das Felsengrab der Könige Chattis überführen zu können, wo Adler und Wölfe den ewigen Schlummer der Herrscher bewachten. Die Hetiter waren über meine Trauer und meine aufrichtigen Tränen sehr gerührt, und auf mein Verlangen stellten sie mir gern auf einer Lehmtafel ein Zeugnis aus, wonach ich keinerlei Schuld an dem Tod des Prinzen Schubattu trug, sondern meine ganze Geschicklichkeit zu seiner Rettung aufgewendet hatte. Sie schrieben das Zeugnis mit hetitischen Schriftzeichen in den Lehm und drückten ihre eigenen sowie das königliche Siegel des Prinzen darunter, damit in Ägypten wegen des Todes ihres Herrn kein Schatten auf mich falle. Sie beurteilten nämlich Ägypten nach ihrem eigenen Land und glaubten daher, die Prinzessin Baketamon ließe mich umbringen, wenn ich ihr bei meiner Rückkehr den Tod des Prinzen Schubattu verkünden werde.
    So hatte ich Ägypten vor der Gewalt der Hetiter gerettet und hätte eigentlich mit meinem Werk zufrieden sein sollen; doch war ich es durchaus nicht, weil ich das Gefühl hatte, der Tod folge mir überallhin auf den Fersen. Ich war Arzt geworden, um die Menschen durch meine Kunst zu heilen und Leben statt Tod zu säen – aber mein Vater und meine Mutter waren meiner Bosheit wegen gestorben, Minea meiner Schwäche wegen umgekommen, Merit und den kleinen Thoth hatte meine Verblendung in den Tod gestürzt, und dem Pharao Echnaton war um meines Hasses und meiner Freundschaft und um Ägyptens willen das Ende beschieden worden. Alle, die ich liebte, fanden meinetwegen einen gewaltsamen Tod. So starb auch Prinz Schubattu meinetwegen, obwohl ich ihn im Augenblick des Sterbens liebte und seinen Tod nicht mehr wünschte. Deshalb begann ich bei meiner Rückkehr nach Tanis meine eigenen Augen und Hände zu fürchten und zu glauben, daß ein Fluch mich überallhin begleite.
    Ich kehrte also nach Tanis zurück und segelte von dort nach Memphis, von wo ich schließlich wieder nach Theben gelangte. Dort ließ ich mein Schiff vor dem goldenen Haus anlegen und trat vor Eje und Haremhab. Sie empfingen mich, und ich sprach zu ihnen: »Euer Wille ist geschehen. Prinz Schubattu ist in der Wüste Sinai gestorben, und wegen seines Todes fällt kein Schatten auf Ägypten.« Die beiden freuten sich sehr über meine Worte; Eje nahm sich die goldene Kette des Zepterträgers vom Hals, um sie mir umzuhängen, während Haremhab sagte: »Berichte es auch der Prinzessin Baketamon! Denn uns wird sie nicht glauben, sondern sich einbilden, ich habe den Prinzen aus Eifersucht umbringen lassen.«
    Ich trat vor die Prinzessin Baketamon, die mich empfing. Sie hatte sich Wangen und Mund ziegelrot geschminkt; aber in ihren länglichen, dunklen Augen lauerte der Tod. Ich sagte zu ihr: »Dein Auserwählter, Prinz Schubattu, entband dich vor seinem Tod deines Versprechens; er erlag in der Wüste Sinai einer Magenkrankheit, und weder ich noch sein Leibarzt vermochten mit all unserer Kunst ihn zu retten.« Sie streifte die goldenen Reifen von ihren Händen, legte sie mir um die Gelenke und sprach: »Du bringst mir eine gute Botschaft, Sinuhe. Ich danke dir dafür; denn ich bin bereits zur Priesterin der Sekhmet geweiht, und mein rotes Gewand ist mir zum Siegesfest genäht worden. Jenes ägyptische Magenleiden aber kenne ich bereits zur Genüge und weiß, daß auch mein Bruder Echnaton, der Pharao, den ich mit schwesterlicher Liebe verehrte, daran gestorben ist! So sei verflucht, Sinuhe, in alle Ewigkeit! Auch dein Grab sei verflucht! Möge dein Name für immer in Vergessenheit fallen! Denn du hast den Thron der Pharaonen zu einem Tummelplatz für Räuber gemacht und schändest in mir für alle Zeiten das heilige Blut der Pharaonen.«
    Ich verneigte mich tief, streckte die Hände in Kniehöhe vor und sprach: »Dein Wille geschehe!« Alsdann verließ ich sie, und sie hieß ihre Sklaven bis zur Schwelle des goldenen Hauses den Fußboden hinter mir kehren.

    4

    Der Leichnam Pharao Tutanchamons war inzwischen zur ewigen Erhaltung bereitet worden, und Eje ließ ihn schleunigst durch die Priester in sein Grab bringen, das in den westlichen Bergen im Tal der Königsgräber ausgehauen worden war. Er bekam wohl viele Gaben mit auf den Weg; dennoch waren seine Schätze gering, weil Eje ihm vieles gestohlen hatte.

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