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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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zurückzukehren.«
    »Verrückt ist er«, sagte Haremhab zu mir und schüttelte mitleidig das Haupt. »Jetzt verstehe ich, daß er einen Arzt benötigt.«
    »Sein Gott offenbarte sich ihm soeben«, sagte ich ernst, um Haremhab zu warnen, denn ich fand bereits Gefallen an ihm. »Die heilige Krankheit hat ihn Gott schauen lassen, und es ziemt uns nicht, die Worte seines Gottes abzuwägen. Ein jeder wird selig in seinem Glauben.«
    »Ich glaube an meinen Speer und meinen Falken«, sagte Haremhab.
    Aber der Thronfolger hob die Hand, um die Sonne zu begrüßen, und sein Gesicht verklärte sich zu neuer Schönheit, wie wenn er eine andere Welt sähe als wir. Wir ließen ihn sein Gebet beenden und geleiteten ihn dann zur Stadt, ohne daß er sich dagegen gewehrt hätte. Der Anfall hatte seine Glieder so sehr geschwächt, daß er klagte und beim Gehen wankte. Deshalb trugen wir ihn schließlich, und vor uns flog der Falke.
    Als wir an die Grenze des bebauten Landes kamen, bis wohin sich die Bewässerungskanäle erstreckten, sahen wir eine königliche Sänfte auf uns warten. Die Sklaven hatten sich auf dem Boden ausgestreckt, und aus der Sänfte trat ein dicker Priester auf uns zu, dessen Haupt rasiert und dessen dunkles Gesicht von düsterer Schönheit war. Ich streckte die Hände in Kniehöhe vor ihm aus, denn ich vermutete in ihm den Re-Harachte-Priester, von dem Ptahor gesprochen hatte. Er aber beachtete mich nicht. Er warf sich vor dem Thronfolger auf sein Antlitz und begrüßte ihn als König. Daraus entnahm ich, daß Amenophis der Dritte verschieden war. Alsdann eilten die Sklaven herbei, um sich des neuen Königs anzunehmen. Seine Glieder wurden gewaschen, gerieben und gesalbt, er wurde in königliches Linnen gehüllt und seinem Haupte wurde die Kopfbedeckung der Könige aufgesetzt.
    Inzwischen wandte Eje sich an mich: »Ist er seinem Gott begegnet, Sinuhe?« fragte er.
    »Er ist seinem Gott begegnet«, sagte ich. »Ich wachte über ihn, damit ihm nichts Böses widerfahre. Woher aber weißt du meinen Namen?«
    Er lächelte und sagte: »Meine Aufgabe ist es, alles, was im Palast vor sich geht, zu wissen, bis meine Stunde kommt. Ich kenne deinen Namen und weiß, daß du Arzt bist. Deshalb konnte ich ihn deiner Obhut anvertrauen. Ich weiß auch, daß du ein Priester Ammons bist und diesem Gott deinen Eid geschworen hast.«
    Letzteres äußerte er mit drohender Betonung, ich aber machte eine abwehrende Handbewegung und fragte: »Was hat ein Eid vor Ammon zu bedeuten?«
    »Du hast recht«, sagte er, »und brauchst ihn nicht zu bereuen. Wisse also, daß dein Schützling von Unruhe befallen wird, sobald sich der Gott ihm naht. Nichts vermag ihn davor zurückzuhalten, und er gestattet keinem Wächter, ihm zu folgen. Dennoch wart ihr die ganze Nacht in Sicherheit, keine Gefahr hat euch bedroht und, wie du siehst, harrt eine Sänfte seiner. Und dieser Speerträger?« Er wies auf Haremhab, der etwas abseits stand und mit der Hand die Spitze seines Speeres prüfte, während der Falke auf seiner Schulter saß. »Vielleicht sollte er am besten sterben, denn die Geheimnisse des Pharao darf nicht mancher teilen.«
    »Er hat den Pharao mit seinem Mantel gegen die Kälte geschützt«, sagte ich. »Er ist bereit, seinen Speer gegen die Feinde des Pharao zu richten. Ich glaube, Priester Eje, du wirst mehr Nutzen von dem Lebenden haben als von dem Toten.« Da warf ihm Eje mit lässiger Gebärde einen goldenen Reifen von seinem Arme zu und sagte: »Du kannst mich eines Tages in dem goldenen Haus aufsuchen, Speeträger.«
    Aber Haremhab ließ den Goldreifen in den Sand zu seinen Füßen fallen und blickte Eje trotzig an. »Ich nehme nur vom Pharao Befehle entgegen«, sagte er. »Wenn ich nicht irre, ist er, der die königliche Kopfbedeckung trägt, der Pharao. Der Falke hat mich zu ihm geführt, das genügt.«
    Eje zürnte nicht. »Gold ist kostbar und stets nützlich«, sagte er, nahm den Goldreifen aus dem Sand und streifte ihn wieder über seinen Arm. »So verneige dich vor deinem Pharao, deinen Speer aber lege in seiner Anwesenheit beiseite.«
    Der Thronfolger trat zu uns herbei. Sein Gesicht war bleich und ausgemergelt, aber immer noch von dem geheimnisvollen Feuer durchglüht, das sein Herz erwärmte. »Folgt mir«, sprach er, »folgt mir alle auf dem neuen Weg, denn die Wahrheit ist mir aufgegangen.«
    Wir geleiteten ihn zur Sänfte, Haremhab murmelte zwar: »Im Speer sitzt die Wahrheit.« Aber er bequemte sich, dem Vorläufer den

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