Sinuhe der Ägypter
Deshalb kaufte ich ihn. Aber für das Wartezimmer der Patienten ließ ich einige Bilder malen. Auf einem derselben unterrichtete mich der Gott der Ärzte, der weise Imhotep. Wie gebräuchlich war ich ganz klein vor dem Gott abgebildet, aber darunter stand die Inschrift: »Der weiseste und geschickteste deiner Schüler ist Sinuhe, Senmuts Sohn, Er, der einsam ist.« Auf einem anderen Bild brachte ich Ammon Opfer dar, um dem Gott das zu geben, was ihm gebührt, und um gleichzeitig das Vertrauen meiner Patienten zu gewinnen. Auf einem dritten Bild aber betrachtete mich vom Himmel herab der große Pharao in Gestalt eines Vogels, und seine Diener wogen Gold für mich ab und legten mir neue Gewänder an. Diese Bilder ließ ich von Thotmes malen, obwohl er kein autorisierter Künstler und sein Name nicht im Tempel Ptahs eingetragen war. Aber er war mein Freund. Deshalb ließ ich ihn die Bilder malen, und aus Achtung vor unserer Freundschaft malte er sie im alten Stil, und zwar über alle Maßen geschickt, so daß sie förmlich von Rot und Gelb – den billigsten Farben – glühten. Und es gelang ihm, die Bilder so zu gestalten, daß alle, die sie zum erstenmal sahen, die Hände zum Zeichen des Erstaunens hoben und sagten: »Er flößt wahrhaftig Vertrauen ein, dieser Sinuhe, Senmuts Sohn, Er, der einsam ist; sicher kann er durch seine Geschicklichkeit seine Patienten heilen.«
Als alles fertig war, setzte ich mich hin und wartete auf die Kranken, die ich heilen sollte, und ich saß lange und wartete geduldig, aber keine Kranken kamen. Als der Abend anbrach, ging ich in eine Weinstube und labte mein Herz mit Wein, denn ich besaß immer noch etwas Silber und Gold von den Geschenken des königlichen Hauses. Ich war jung und hielt mich für einen geschickten Arzt und fürchtete mich daher nicht vor der Zukunft. Deshalb erquickte ich mein Herz in Thotmes’ Gesellschaft mit Wein, und wir sprachen laut über die Angelegenheiten der beiden Reiche, wie denn zu jener Zeit alle Menschen auf den öffentlichen Plätzen, vor den Häusern der Kaufleute, in den Weinstuben und den Freudenhäusern mit lauter Stimme von den Angelegenheiten der beiden Reiche redeten.
Die Voraussage des alten Siegelbewahrers hatte sich nämlich bewahrheitet. Als der Leib des großen Pharao behandelt war, um dem Tod zu widerstehen, und als er in sein Grab im Tal der Könige geleitet und die Türen dieses Grabes mit königlichen Siegeln verschlossen waren, da bestieg die große königliche Mutter den Thron, die Geißel und den Krummstab in den Händen, den königlichen Bart am Kinn und umgürtet mit dem königlichen Löwenschweife. Der Thronfolger aber wurde noch nicht zum Pharao gekrönt, sondern es wurde behauptet, daß er sich läutern und zu den Göttern beten wolle, ehe er die Macht anzutreten gedenke. Doch als dann die große königliche Mutter den alten Siegelbewahrer fortjagte und den unbekannten Priester Eje an ihre rechte Seite erhob, so daß er im Range über allen Vornehmen Ägyptens stand und in dem goldenen Haus im Pavillon der Gerechtigkeit mit vierzig ledernen Gesetzbüchern vor sich saß und über die Steuereintreiber und die Baumeister des Pharao gebot, da begann es im Ammontempel wie in einem Bienenstock zu summen, und man ward manch schlimmer Wahrzeichen inne, und die königlichen Opfer schlugen fehl. Auch hatten viele seltsame Träume, die die Priester deuteten. Gegen die Ordnung der Natur änderten die Winde ihre Richtung, so daß zwei Tage hintereinander in Ägypten Regen fiel und Warenlager an den Kais verdarben und Getreidehaufen verfaulten. Auch verwandelte sich außerhalb Thebens das Wasser mehrerer Teiche in Blut, und viele Leute gingen hin, um es sich anzusehen. Aber noch hegten die Menschen keine Furcht, denn solches hatte sich zu allen Zeiten zugetragen, wenn die Priester zürnten.
Wohl aber herrschten viel Unruhe und eitles Geschwätz, doch die Söldnertruppen des Pharao in den Kriegerhäusern, Ägypter, Syrier, Neger und Schardanen, erhielten reiche Spenden von der königlichen Mutter. Auf der Terrasse des Palastes verteilte man goldene Ketten und Ehrenzeichen unter ihre Anführer, und die Ordnung wurde aufrechterhalten. Und nichts bedrohte die Macht Ägyptens, denn auch in Syrien sorgten die Garnisonen für Ordnung, und die Fürsten von Byblos, Simyra, Sidon und Gaza, die ihre Kindheit zu den Füßen des Pharao verbracht und ihre Erziehung in dem goldenen Haus erhalten hatten, betrauerten ihn wie einen Vater und sandten der
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